E-MUSIKGRUPPE LUX OHR, ein Name so simpel, dass er schon wieder faszinierend ist. Die mysteriöse vierköpfige Mission aus Finnland scharrt sich um Kimi Kärki, der als Gründer von REVEREND BIZARRE und LORD VICAR schon reichlich Erfahrung mit gitarrenbegleiteten Drogentrips gemacht haben dürfte. Mit der E-Musikgruppe haben die Doom-Legenden nur die Wahl ihrer reichlich psychedelischen Themen gemein. "Spiralo" ist eine neuerliche Reise ins All, aber auch in die Vergangenheit.
Berliner Schule, Ambient, space music oder zusammengefasst Kosmische Musik sind die Einflüsse, die die Finnen laut eigener Aussagen in ihren Klangteppich eingeknüpft haben. Mit der Technologie des 21. Jahrhunderts tönt der Mix aus den 60ern und 70ern zweifellos fantastisch und der Musik angemessen. Im Vergleich zum Debüt "Kometenbahn" (KRAFTWERK lassen grüßen) wird die annährend gleiche Spielzeit mit vier Songs weniger bedient, was diverse Effekte mit sich bringt.
Dem All wird noch mehr Platz eingeräumt oder anders ausgedrückt, die Kompositionen sind ausufernder gestaltet. Am besten genießt man "Spiralo" mit viel Ruhe und Kopfhörern bewaffnet, um die experimentellen Soundcollagen in voller Gänze genießen zu können. Zu viel Ruhe sollte es zumindest bei 'Spiralo 1' dann aber doch nicht sein, denn die Gefahr ist groß, dass der Kollege Schlaf einen um den Finger wickelt. Das ist nicht böse gemeint, sondern soll unterstreichen, wie fordernd Musik sein kann, die ganz bewusst auf Highspeed und technische Kabinettstückchen verzichtet.
Die finnische Combo lädt nicht lautstark zur Reise ein, sondern baut den Kosmos behutsam und bedächtig auf. Langsam füllt sich die Stille mit immer mehr elektronischen Klängen, die viel mit den Vorstellungen über das All und Raumfahrt zu tun hat, die seit "2001" durch die Pop- und Subkultur(en) geistern. Mal werden Synthpop-Elemente zu großen Soundscapes ausgeweitet, mal sind es nur einzelne, minimalistische Klänge, die den Songs in eine neue Richtung lenken, aber die vorgestellte Soundwelt bleibt zu jeder Zeit in sich geschlossen.
'Spiralo 2' wird wieder von neuem aufgebaut, braucht aber weniger Zeit, um richtig laut zu werden. Ob und wenn ja, was für Sequenzen sich in den knapp 20 Minuten Musik vor dem inneren Auge abspielen, das ist der Fantasie eines jeden selbst überlassen. Einziges Kriterium: Ein gewisses Interesse für das All und seine Geschichte in den Köpfen der Menschen sollte vorhanden sein. Wer sich dazu noch die Zeit und Ruhe nimmt in die Musik einzutauchen, der bekommt genug Details geboten, um das Album immer wieder aufzulegen. Die Platte endet beispielsweise mit einem von einer E-Gitarre umschmeichelten, träumerischen Klangbild, das unumwunden als wunderschön zu bezeichnen ist. Es liegt allerdings die Vermutung nahe, dass es noch mehr als die nackte Musik braucht, um die E-MUSIKGRUPPE LUX OHR in all ihren Facetten zu verstehen. Beim diesjährigen Roadburn-Festival durften sie am frühen Nachmittag volle 90 Minuten lang ihr Material zum Besten geben und mit dezenten wie eindrucksvollen Visualisierungen zu einem Gesamtkunstwerk erheben. Ähnlich wie bei den Noise-Experten SUNN O))) dürfte dies die von der Band angestrebte Erfahrung sein, die sie mit ihrer in keinster Weise neuartigen Musik vermitteln wollen. Aber auch mit "Spiralo" alleine kann man glücklich werden, wenn man sich denn drauf einlässt.
FAZIT: "Spiralo" ist im Gegensatz zum Vorgänger ein ausuferndes Stück Kosmische Musik geworden, das Zeit und Ruhe, aber auch eine gewisse Affinität für die Thematik einfordert, um sich entfalten zu können. E-MUSIKGRUPPE LUX OHR musiziert nicht neuartig, kann einen aber trotzdem in eine auf- und anregendes Allszenario entführen, ohne es in all seinen Details zu erklären. Musik, die mit seinem Hörer wächst, live aber sicher noch beeindruckender ist.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.05.2014
Kimi Kärki, Ismo Virta, Jaakko Penttinen, Pertti Grönholm
Svart Records
38:20
02.05.2014