Sie sind zurück, die Mitbegründer und Urväter des Drone Doom: EARTH. Zugegeben, wirklich weg waren die Amerikaner nie, doch nach dem eher zwiespältig ausgefallenen "Angels Of Darkness, Demons Of Light"-Doppel, stellt "Primitive And Deadly" gleichermaßen einen klaren Höhepunkt der Diskographie wie die Besinnung auf alte Stärken dar.
Fast schon ungewohnt treibend schleppt sich "Torn By The Fox Of The Crescent Moon" ebenso behäbig wie unaufhaltsam vorwärts, getrieben von typisch zyklischer Melodieführung, Feedback-Schleifen und stoischen Drums. Es stimmt also durchaus, was vorab in Presseberichten zu lesen war: EARTH waren selten so nah am Sound einer echten Rockband. Dazu tragen zweifelsohne auch die Gastbeiträge von Mark Lanegan (SCREAMING TREES) und Shaheen Qazi (ROSE WINDOWS) am Mikrofon ihren gehörigen Teil bei. Diese Kombination des EARTHschen Instrumentalsounds mit Vocals mag in der Theorie zunächst befremdlich klingen, stellt jedoch in der Praxis keineswegs ein Novum im Klangrepertoire von Dylan Carlson und seinen Mitstreitern dar. Zumal sich die Kontributionen wie selbstverständlich in das Gesamtbild einfügen, sodass spätestens nach der vorab veröffentlichten Kostprobe in Form von "From The Zodiacal Light" das letzte Fünkchen Skepsis verflogen sein dürfte.
Im Kontrast zu jenem über jeden Zweifel erhabenen Beitrag von Shaheen Qazi wirken die Kooperationen mit Mark Lanegan weit weniger homogen, jedoch ebenso eindringlich. Während in "From The Zodiacal Light" Gesang und Instrumental auf Anhieb eine untrennbare Einheit ergeben, thront in gleich zwei Stücken ("There Is A Serpent Coming", "Rooks Across The Gates") Mark Lanegans charaktervolle Stimme als klar im Scheinwerferlicht positioniertes Sprachrohr über allem. Geradezu predigend trägt er sein Manifest vor, unbeirrt vom akustischen Treiben. "New Revelation Time", Amen.
Bleibt noch das kongeniale "Even Hell Has It's Heroes", das von Brett Netson (BUILT TO SPILL) an der Gitarre unterstützt wird und mit seinem Improvisations-Charakter insbesondere an "Angels Of Darkness, Demons Of Light II" erinnert. Hier wird über die gesamte Spielzeit weniger ein klassisches Solo vorgetragen, als viel mehr den Fingern ein Eigenleben gewährt, das jene fortan dem jeweils individuellen Instinkt folgen und dem musikalischen Unterbau so ihren ganz eigenen Rhythmus aufdrängen lässt. Faszinierend, wie schnell knapp zehn Minuten verfliegen können.
FAZIT: EARTH tatsächlich als klassische Rockband zu bezeichnen, käme gewissermaßen einer Quadratur des Kreises gleich. Doch auch "Primitive And Deadly" stellt keine Abkehr vom zyklischen, durch Feedback und Aufschichtungen mit Facetten angereicherten Grundgerüst des Schaffens der Amerikaner dar. Stattdessen verknüpft man die Melodik von "The Bees Made Honey In The Lion's Skull" mit dem Distortion-betonteren Sound der Anfangstage und der Unberechenbarkeit des "Angels Of Darkness, Demons Of Light"-Ära. Zuschlagen sollte man folglich in jedem Fall, falls möglich sogar bei der Vinyl-Fassung, die nicht nur das großartige Artwork besonders zur Geltung bringt, sondern obendrein mit dem Vinyl-Only-Track "Badgers Bane" das heimliche Highlight der Platte beinhaltet.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.09.2014
Bill Herzog
Dylan Carlson
Adrienne Davies
Southern Lord
47:12
12.09.2014