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Emigrate: Silent So Long

Stil: Rock / Electro

Cover: Emigrate: Silent So Long

Damit war nicht unbedingt zu rechnen, doch das zweite Album von RAMMSTEINs Richard Kruspe warf medial schon ein paar Monate im Vorfeld Schatten voraus, und jetzt ist es nach sieben Jahre auf einmal da. Sie Beibehaltung der alten Besetzung zahlt sich aus, wobei EMIGRATE auch auf prestigeträchtige Gaststars setzen, was "Silent So Long" zwar interessanter macht, aber das Ding wäre auch ohne diese Leute gar kein übles.

Das schreitende "Eat You Alive" mit Frank Dellé am Mikrofon ist eine offensichtliche erste Single, aber trotz des bombastischen Refrains vergleichsweise unauffällig, denn gleich darauf tritt Skandalnudel Peaches auf den Plan: "Get Down" ist nahezu vollkommen elektronisch (schlaue Gitarrenlicks, die man bei seinen Hauptarbeitgebern selten von Kruspe hört) und bietet schmierigen "four-on-the-floor"-Sex. Marilyn Manson schleicht kurz darauf in "Hypothetical" ähnlich duckmäuserisch vorwärts und ist das seit langem beste Stück, das von ihm stammen könnte, es aber nicht tut. Kruspe sollte als Songwriter für den abgehalfterten Provokateur anheuern …

Die Highlights auf "Silent So Long" sind tatsächlich die "Band-Songs", allen voran das treibende "Rainbow", das ähnlich wie das rhythmisch facettenreiche "My Pleasure" zwischen Eighties-Wave und fettesten Neunzigern schlingert, ohne so schnell wieder aus dem Kopf zu gehen. "Born On My Own" fungiert praktisch als stimmungsvolles, längeres Intro zum aufbegehrenden "Giving Up". "Margaux Bossieux" kommt mit schleppendem "Kashmir"-Beat daher, wobei Margaux Bossieux (die Kruspe übrigens zum dritten Mal zum Vater gemachthat) im ebenfalls zudringlichen Refrain mitsingt. "Faust" dürfte live für massives Mitgrölen sorgen und ist subjektiv gesehen das stärkste Stück der Scheibe.

Bleibt noch KORNs Jonathan Davis im melancholischen Abschluss "Silent So Long", der zum Glück nicht zum Jammerlappen-Song verkommt, sondern den hittigen Sack vielmehr auf stimmige Weise zumacht. "Rock City" hingegen ist als einziger Tracks ziemlich merkwürdig: Der glattgebügelte MOTÖRHEAD-Beat mit einem aus dem letzten Loch röchelnden Lemmy in der Gesangskabine fügt sich einfach nicht in den Gesamtkontext und wurde obendrein hörbar ohne gescheite Idee geschrieben. Der Rest zeugt davon, dass Kruspe ebensolche en masse hat. EMIGRATE dürfen gerne häufiger Platten aufnehmen und bitte auch live spielen.

FAZIT: "Silent So Long" ist ein facettenreiches, modernes Rock-Album mit synthetischen Versatzstücken, High-End-Sound und den notwendigen Songs für Charterfolge. Dass so etwas durchaus mit längerer Halbwertszeit ausgestattet sein kann, beweisen EMIGRATE mit Bravour.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.11.2014

Tracklist

  1. Eat You Alive
  2. Get Down
  3. Rock City
  4. Hypothetical
  5. Rainbow
  6. Born On My Own
  7. Giving Up
  8. My Pleasure
  9. Happy Times
  10. Faust
  11. Silent So Long

Besetzung

  • Bass

    Arnaud Girous

  • Gesang

    Richard Kruspe

  • Gitarre

    Richard Kruspe, Olson Involtini

  • Schlagzeug

    Mikko Sirén

Sonstiges

  • Label

    Vertigo / Universal

  • Spieldauer

    43:40

  • Erscheinungsdatum

    14.11.2014

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