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Emil Bulls: Sacrifice To Venus

Stil: Alternative Metal

Cover: Emil Bulls: Sacrifice To Venus

Gesunde Härte kaschiert bereits mindestens seit „The Black Path“ (2008) die mittelmäßigen Songwriterfähigkeiten der Alternative-Metaller aus der bayerischen Landeshauptstadt. Nicht auszudenken, wenn man stattdessen weiter dem „Take On Me“-Pfad gefolgt wäre (obwohl: das ist sehr wohl auszudenken, es gibt da ja schließlich noch die inzwischen Kuschelrock praktizierenden Kollegen von 4LYN). So kann man wenigstens sagen, die Bulls eignen sich für zünftiges Gemoshe ganz passabel; die Lautstärke aufgedreht, fällt gar nicht weiter auf, wie einfältig die meisten Songs Dosen-Emotionen mit dem scheinheiligen Etikett „nach hausgemachter Deftones-Art“ verwursten und wie berechenbar die fetten Pfunde aus dem Hardcore-Gestus mit Emo-Balladen gemischt werden, damit dem Mosher auf dem Konzert auch mal eine Runde Entspannung an der Schulter seiner Freundin vergönnt ist. Das dezente Indie-Flair hilft den Platten also über die Runden, denn man hat nicht unbedingt den Eindruck, dass diese Bullen von der Plattenfirma gezähmt worden wären; die Eigenständigkeit fehlt ihnen allenfalls von Haus aus, sie kommt also quasi aus dem Herzen und das ist ja schließlich alles, was zählt. Fans haben sie immerhin, Durchhaltevermögen nach nunmehr acht Alben auch.

Nun ist „Sacrifice To Venus“ aber leider wirklich ein bisschen sehr dick aufgetragen, selbst für EB-Verhältnisse. Zur – wie einstmals schon bei „Angel Delivery Service“ – kosmisch ästhetisierten Darstellung einer Frau (wobei sich das Artwork auffallend an DEFTONES’ „Saturday Night Wrist“ orientiert) wird eine platte Ode an den Sexappeal der Weiblichkeit bekundet, dem der Mann in all seiner Schwäche ausgeliefert ist. Im Ernst jetzt? Man muss sich zwar nicht immer auf Teufel komm raus weiterentwickeln, aber dennoch hätte man von Mittdreißigern im 19. Karrierejahr zumindest einen Hauch mehr Anspruch erwartet. Aber nö, stattdessen zieht man sich freiwillig die eigenen Hosen runter und macht Party (so geschehen auf Track 3). Sollte der FC Bayern den totgenudelten „zieht den Bayern die Lederhosen aus“-Chören aus dem Munde der restlichen Nation mal auf selbstironische Art zuvorkommen wollen, eignet sich „Pants Down“ immerhin als passender Soundtrack, um den Gegner bei selbst erzielten Toren auch feiertechnisch geschickt auszukontern.

Beim Einstieg macht das Quintett jedenfalls keine Gefangenen. Mäanderte „Oceanic“ vor drei Jahren erstmal spannungsschürend vor sich hin, wiederholt „Sacrifice To Venus“ die Formel von „Phoenix“ und „The Black Path“ und bläst den Play-Drücker mittels Lokus-Growls praktisch automatisch zurück aufs Sofa (respektive in die Steinzeit). Im Refrain schon frönt man allerdings der Liebe zum eingängigen Stadionrock, so dass der Play-Drücker die Gelegenheit bekommt, seine Sitzposition zu optimieren. „Hearteater“ knüpft generisch an diese Rezeptur an und variiert praktisch überhaupt nichts. Es ist wie immer: Die fette Produktion überzeugt und die Härte beeindruckt nach wie vor, weil man bei dieser Band irgendwie immer noch jederzeit den spontanen Stilwechsel Richtung „Behind Blue Eyes 2“ befürchtet, aber schreiberisch schöpfen EMIL BULLS weiterhin aus einem Fingerhut.

Besagtes „Pants Down“ hält die Härte, wenn schon nicht die Hosen aufrecht und setzt noch eine Portion Groove oben drauf; auch dieser Song bekommt später noch ein Zwillingserzeugnis mit dem noch groovigeren „Man Or Mouse“ zugeteilt, das sich über Signalwörter wie „Boom Boom“, „Hands Up“ und die schnell variierte Textzeile „Do You Wanna Be A [X], Do You Wanna Be A [Y]“ definiert, die maschinengewehrartig von der E-Gitarre im Takt mitgezogen wird.
„I Wanna Feel You“ und „Gone Baby Gone“ sind die notwendige Portion Kitschsahne über dem harten Grundteig, das nunmehr dritte Zwillingspaar. Der gesamte Mittelblock zeichnet sich durch verhalten härtere Stücke aus, die insgesamt für einen durchaus aggressiven Gesamteindruck sorgen, allerdings sagt das eben leider nichts über die Qualitäten aus, die wie gehabt sehr überschaubar bleiben. Das ätherische „Behind The Sun“ lässt das Album immerhin sehr interessant ausklingen, ist aber im Endeffekt auch nur ein typischer Closer eines FILTER-Albums (inklusive des hier sehr nach Richard Patrick klingenden Christoph von Freydorf).

FAZIT: Infantiler Albumtitel, wahlweise infantile, profane oder melancholisch verstiegene Texte / Stimmungen und abgestandene Songideen, die bei Hinz und Kunz abgeguckt wurden. Großtaten sind bei diesen Voraussetzungen wohl kaum zu erwarten. Immerhin lässt sich auch „Sacrifice To Venus“ aufgrund der sterilen Härte recht unkompliziert schönhören. Das reicht dann leider auch schon, um die EMIL BULLS gegenwärtig im Vergleich mit 4LYN, H-BLOCKX oder GUANO APES zur Referenz unter den größeren deutschen Crossover-, Metal- und Rock-Veteranen zu machen.

Punkte: 6/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.08.2014

Tracklist

  1. The Grave
  2. Hearteater
  3. Pants Down
  4. I Wanna Feel You
  5. Rainbows And Butterflies
  6. The Way Of The Warrior
  7. The Reckoning
  8. The Age Of Revolution
  9. Sacrifice To Venus
  10. Gone Baby Gone
  11. Man Or Mouse
  12. Keep On Dreaming
  13. Behind The Sun

Besetzung

  • Bass

    Jamie Richardson

  • Gesang

    Christoph von Freydorf

  • Gitarre

    Christoph von Freydorf, Stephan Karl, Andy Bock

  • Schlagzeug

    Manu Lotter

Sonstiges

  • Label

    AFM Records

  • Spieldauer

    53:22

  • Erscheinungsdatum

    08.08.2014

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