„Wir sind als Band gereift – zum Guten oder zum Schlechten“, meint Douglas A. Ott, der Gitarrist und Bandleader der amerikanischen Prog-Institution ENCHANT augenzwinkernd. Mehr als zehn Jahre ist es her, dass mit „Tug Of War“ der Vorgänger erschien, und es wird den einen oder anderen verwöhnten Fan sicherlich nicht gefallen, dass man nach dieser langen Wartezeit mit „The Great Divide“ auch noch ein eher zwiespältiges Album vorgesetzt bekommt.
Wo früher einschmeichelnde Songs an der Grenze zwischen AOR und Progressive Rock traumwandlerisch Bauch, Herz und Hirn gleichermaßen ansprachen, kommt „The Great Divide“ nicht so recht auf den Punkt. Den Songs fehlen über weite Strecken die wirklich großen Momente. Klar, Keyboarder Bill Jenkins weiß mit seinem Instrument glänzend umzugehen, Sänger Ted Leonard, der mit seinem zwischenzeitlichen Einstieg bei SPOCK’S BEARD und dort einem großartigen Album von sich reden gemacht hat, hat eine immer noch fantastische und charismatische Stimme – und doch will bei den acht Songs zu häufig nicht so recht der Funken überspringen.
„Kein Nostalgie-Trip“ sei „The Great Divide“, lässt Ott seine Fans wissen, womit er fraglos recht hat, und was ebenso fraglos einer Progressive-Rock-Band grundsätzlich gut zu Gesicht steht. Doch was nützt die schönste Negierung eines „lass es uns doch einfach so machen wie immer“-Gefühls, wenn die Songs schlichtweg nicht die herzzerreißend schönen Melodien aufweisen, die ENCHANT früher ausmachten, wenn nicht die einmalige Kollaboration aus anspruchsvollen Songstrukturen und eingängigem Hardrock zu hören ist.
FAZIT: Nicht, dass jetzt hier der Eindruck entsteht, „The Great Divide“ sei ein schlechtes Album. Das ist es natürlich nicht, dafür bestehen ENCHANT einfach aus viel zu großen musikalischen Könnern. Doch frühere Alben kann „The Great Divide“ nur dann erkennen, wenn es das Fernglas zu Hilfe nimmt.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.09.2014
Ed Platt
Ted Leonard
Douglas A. Ott
Bill Jenkins
Sean Flanegan
Inside Out Music
55:48
26.09.2014