Willkommen zu einer der größten Musikpartys der vielen Prog-Rock-Köche aus aller Welt. Wir begeben uns auf eine Reise in die Zukunft, die natürlich auch einer bestimmten Musik-Landkarte folgt, deren Zeichner wie selbstverständlich aus dem Hause AYREON kommen könnte, in dem er schon so einige ganz besondere musikalische Zeitreisen, mal in die Vergangenheit, mal in die Zukunft, entwarf und sich dabei von sehr namhaften Musikern aus aller Welt begleiten ließ. Eine seiner schönsten Reisen trug den Namen „Into The Electric Castle“ - doch leider erreichte er danach nie wieder wirklich das Niveau, welches er im elektrischen Schloss aufblitzen ließ. Dafür aber müssen 15 Jahre später ein grandioser deutscher, wuschelköpfiger Gitarrist und ein paar progrockige Schwergewichte daherkommen, um ihm zu zeigen, wie die progressive Schloss-Geschichte hätte weitergehen können, ohne an Niveau zu verlieren. Und um A. A. LUCASSEN, dem Kopf hinter AYREON, auch unmittelbar daran teilhaben zu lassen, räumte man ihm gleich noch einen instrumentalen Einsatz in Form eines Gitarren-Solos auf dem Album ein, welches endlich die erfolgreiche progressive „Operngeschichte“ fortschreibt, die 1998 nach „Into The Electric Castle“ ins Stocken geraten war.
FLAMING ROW sind unverkennbar im musikalischen Geiste die Kinder von AYREON, die versuchen, noch etwas mehr, noch etwas gigantischer, noch etwas voluminöser, bombastischer, härter das Konzept ihres musikalischen Ziehvaters fortzusetzen und ziehen dabei alle Register ihres eigenen musikalischen Könnens und das ihrer zahlreichen Gäste, deren Aufzählung hier den Rahmen jeder Kritik sprengt, weswegen man einfach mal in <a href=" http://www.youtube.com/watch?v=zt3koKn4Kqg " rel="nofollow">dieses Promo-Video</a> hineinschauen sollte! Nur so viel - die Musiker, die in das Konzept von „Mirage - A Portrayal Of Figures“ involviert sind, stammen aus solch namhaften Bands wie SPOCK'S BEARD, PAIN OF SALVATION, TOXIC SMILE, SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR, AYREON, ENCHANT, SANTANA, SHADOW GALLERY, HAKEN, NEAL MORSE BAND, FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE und und und!
Auch ein weiteres Element ist offensichtlich AYREON-like, nämlich das Schreiben von Geschichten, die ziemlich verworren daherkommen und über mehrere Alben hinweg fortgesetzt werden. Wem's gefällt, der wird sich jetzt schon nach dem ersten Teil dieser Musik-Geschichte rund um eine Zukunft, in der bereits der 3. Weltkrieg tobt, in der aber zum Glück keine Merkel, kein Obama und kein Putin auftauchen, auf die folgenden zwei Teile freuen, welche dann die Trilogie zu ihrer Vollendung bringen. Wer allerdings bereits bei AYREON mit solchen Science-Fiction-Geschwurbel nicht all zu viel anfangen konnte und sich mehr nach Konkretem sehnte, dem wird „Mirage - A Portrayal Of Figures“ nicht gerecht.
Es gibt aber auch einige Neuigkeiten aus dem Hause FLAMING ROW. Während noch beim absolut gelungenem Debüt „Elinoire“ ausschließlich MARTIN SCHNELLA die Kompositionen in die Hand nahm, trat ihm diesmal der Prog-Tausendsassa MAREK ARNOLD mit zur Seite, sodass auch offensichtlich gewisse Unterschiede zum Vorgänger zu entdecken sind. Natürlich ist der metallische Anteil des Albums wieder am stärksten ausgeprägt, aber auch ungewöhnlich viele akustische Momente tauchen auf dem „Mirage“-Album auf, wovon besonders umwerfend „Pictures“ ist, eine Ballade allererster Güteklasse, regelrecht zum Niederknien schön, mit Saxofonen, Celli, Mandolinen, Akustik-Gitarren, Flöten sowie männlichen und weiblichen Gesängen von TED LEONARD, MELANIE MAU und MARTIN SCHNELLA. Auf solch pathetische Hymne wäre garantiert auch NEAL MORSE stolz, wenn der liebe Gott ihm diese so eingeflüstert hätte.
Ansonsten bleibt aber auch vieles beim Alten und es macht sich ein wenig Enttäuschung breit, dass nach der Überraschung von „Elinoire“, einem völlig unerwarteten Album mit der Härte von DREAM THEATER, SYMPHONY X und SHADOW GALLERY sowie der progressiven Finesse von SPOCK'S BEARD und natürlich dem Bombast AYREONs genau diese Beschreibung auch für „Mirage - A Portrayal Of Figures“ zutrifft. Damit erfüllen FLAMING ROW natürlich alle Erwartungen, aber sie bleiben das gewisse Etwas schuldig - ein gewisses Etwas, das man eben „Überraschung“ nennt. FLAMING ROWs Zweitling funktioniert nach einem gänzlich ähnlichen Schema wie der Erstling. Musik, Story, konzeptionelle Umsetzung - alle, die das erste Album mochten, werden auch vom zweiten begeistert sein. Keine Frage!
Bleibt also die Frage: „Wie weiter?“
Verfallen FLAMING ROW in den AYREON-Komplex und setzen der ersten Überraschung am Ende viel Austauschbares, aber trotzdem nichts Schlechtes hinterher? Auch kann zu viel Komplexität, zu starkes Aneinanderreihen vielfältiger, sehr unterschiedlicher Ideen am Ende etwas zu steril rüberkommen - so als müssten auf den mit 80 Minuten komplett ausgelasteten Silberling einige Ideen komprimiert und verkürzt werden, damit sie mit draufkommen, wobei andere musikalische Freiheiten beschnitten werden. Auch soll bei der Masse der eingesetzten Musiker - allein zehn Sänger sind aktiv - auch jeder seinen musikalischen Anteil haben, was sicher nur schwer zu koordinieren ist und worunter auch deutlich die recht seltsame Weltverbesserer-Story in typischer Prog-Manier leidet.
Gerade darum ist auch unbedingt zu empfehlen, die limitierte Edition des Albums zu erwerben, da sie das komplette Werk ausschließlich in seiner Instrumentalfassung enthält und der Hörer so in schwer beeindruckender Weise - ohne von den Stimmen abgelenkt zu werden - miterleben darf, was da an Unglaublichem von der Instrumentalfraktion geleistet wird.
Ich persönlich zumindest hoffe sehr, dass mich das dritte FLAMING ROW-Album und der zugleich zweite Teil von „Mirage - A Portrayal Of Figures“ wieder ähnlich überrascht, wie es „Elinoire“ getan hat und sich nicht hauptsächlich dadurch auszeichnet, alle gelungenen Zutaten zwar neu zu mischen, aber nicht wirklich zu verfeinern. Viele gute Köche verderben nicht den Prog-Brei - aber manchmal ist solcher Brei von deutlich weniger Köchen mindestens genauso schmackhaft.
FAZIT: Das so schwere zweite Album nach einem unglaublich grandiosem ersten von FLAMING ROW hält alles das, was bereits der Vorgänger versprach: symphonischen, melodischen, metallischen und progressiven Rock, der geschickt mit viel Akustik und sogar Folk sowie einer klitzekleinen Prise Jazz angereichert ist. Dazu ein buntes Stimmengewirr von jeder Menge hoch begabter Sänger. So funktionierte auch schon AYREON und ganz ähnlich funktionieren derzeit FLAMING ROW.
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Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.05.2014
Martin Schnella, Lars Lehmann, Dave Meros, Kristoffer Gildenlöw
Kiri Geile, Martin Schnella, Magali Luyten, Ted Leonard, Johan Hallgren, Anne Trautmann, Simon Moskon, Gary Wehrkamp, Brendt Allman, Brian Ashland
Martin Schnella, Gary Wehrkamp, Brendt Allman, Ole Rausch, Arjen A. Lucassen
Marek Arnold, Martin Schnella, Diego Tejeida, Tobi Reiss, Gary Wehrkamp
Niklas Kahl, Jimmy Keegan, Leo Margarit
Marek Arnold (Saxofon, Klarinette, Recorders), Eric Brenton (Violine und Viola), Nathan Brenton (Celli), Gero Drnek (Orchester)
Progressive Promotion Records
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28.03.2014