Das zweite Album des flächendeckend tourenden Allstar-Projekts FLYING COLORS ist nicht so stark geworden wie der Einstand des Quintetts. Ob es an den zu vielen anderen Betätigungsfelder dieser zweifelsohne begnadeten Mucker liegt?
Wie dem auch sei: Der programmatisch überlange Opener "Open Up Your Eyes", der sich langsam aufbaut wie ein TRANSATLANTIC-Epos, aber von Morses fließendem Fusion-Gitarrenstil geprägt wird, gleichzeitig da Fabelbasser LaRue ebenfalls eine jazzige Note hinzugibt, setzt ebenso wie das unwesentlich kürzere Finale "Cosmic Symphony" den Grundton von "Second Nature" fest: retrospektiver Prog mit AOR- beziehungsweise Pop-Appeal vermischt, nicht zu vergessen überdurchschnittliche Musikalität.
Der diesmal überwiegend erstaunlich blasse Gesang von Casey McPherson wiegt die instrumentale Güte nicht auf, aber vielleicht müsste er häufiger im Mittelpunkt stehen wie während des kompakten "Bombs Away", statt irgendwie nach "hinterher" eingefügtem Beiwerk zu klingen ("Peaceful Harbor"). Mit androgyn theatralischer Stimme, Zerrbass und Mellotron ist das dahindackelnde "Mask Machine" eindeutig eine MUSE-Hommage und zeigt den Frontmann von seiner besten Seite. Daneben mutet auch manches wie Zweitverwertung an, vor allem die Balladen "The Fury Of My Love" und "Lost Without You", die Neal Morse eventuell besser selbst gesungen hätte, statt sie so wie B-Seiten alter QUEEN dastehen zu lassen. Dass er selbst mittelmäßige Ware veredeln kann, beweist er gleich darauf jedenfalls im relativ ideenlosen und deswegen zu langen "A Place In Your World".
Positiv wären da noch die verschmitzten Keyboards des ehemaligen Spocksbartes und die britisch folkige Aura des Highlights "One Love Forever" zu erwähnen. A propos Liebe und so: Die Texte sind mitunter doch arg plump ausgefallen, und irgendwie ertappt man sich dabei, lieber gleich wieder das Debüt hervorzuziehen.
FAZIT: "Second Nature" ist wahrlich kein schlechtes Album, doch FLYING COLORS bleiben heuer die großen Momente schuldig, die sie zuvor über den Status eines bloßen Nebenbetätigungsfeldes hinweghoben. Die Platte vermittelt den Eindruck, mit der heißen Nadel zwischen anderen Verpflichtungen ersonnen worden zu sein, was bei diesen Protagonisten natürlich immer noch gehobenes Niveau bedeutet.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.09.2014
Dave LaRue
Casey McPherson, Neal Morse
Steve Morse
Neal Morse
Mike Portnoy
Music Theories / Provogue
66:28
26.09.2014