GAMMA RAY, Urgesteine der deutschen Metal-Szene, haben ihren kreativen Höhepunkt seit einiger Zeit überschritten, bringen aber noch immer regelmäßig gute Alben heraus - so oder ähnlich kann man die letzten Jahre der Band um Kai Hansen beschreiben. Insofern waren die Erwartungen an das neue, elfte Studioalbum "Empire Of The Undead" nicht allzu hoch angesiedelt - wird schon eine gute Platte werden, dachte man sich. Dass die Hanseaten damit jedoch in den beiden führenden Metal-Gazetten des Landes den Soundcheck gewinnen würden, hätte man nicht unbedingt erwartet. Album des Monats? Von Gamma Ray? Im Jahre 2014? Ernsthaft?
Ja, ernsthaft! Und völlig zu Recht. Es darf in der Tat als faustdicke Überraschung gewertet werden, dass GAMMA RAY mit "Empire Of The Undead" ein Album heraushauen, das ohne Übertreibung als ein Highlight der eigenen Diskografie durchgeht. Dabei haben sie eigentlich nichts groß anders gemacht, als sonst - außer dass sie fast ausschließlich richtig starke Songs geschrieben haben. Und die klingen so frisch, so unverbraucht und so leidenschaftlich, dass es eine helle Freude ist. Das Album hat tatsächlich alles zu bieten, was man sich von GAMMA RAY wünschen mag, alle Trademarks sind da und die Umsetzung ist klar zwingender, als zuletzt. "Empire Of The Undead" ist mindestens ihr bestes Album seit dem 2001er "No World Order!" und somit Messlatte für alles, was in diesem Genre 2014 noch zu hören sein wird.
Zehn Songs und einen europäischen Bonustrack hat "Empire Of The Undead" zu bieten und dabei ist die Hitdichte verdammt hoch. Klar, letztlich ist es immer noch Geschmackssache, aber wenn neun von elf Songs trotz ihrer Unterschiedlichkeit komplett mitreißend sind, dann kann man guten Gewissens von Hits sprechen. Ein Album mit einem Zehnminüter zu eröffnen, ist mutig, aber GAMMA RAY haben auch in der Vergangenheit schon ein Album mit einem Longtrack eröffnet und eben jenes "Rebellion In Dreamland" ist bekanntlich ein Bandklassiker. Das Potenzial dazu hat "Avalon" ebenfalls, eine großartige, leicht bombastische Midtempohymne, deren unwiderstehlicher Refrain eine Band wie SABATON in ihre Schranken verweist. Dass das Tempo im weiteren Verlauf angezogen wird, um den Song abwechslungsreich zu gestalten, versteht sich von selbst. "Hellbent" ist ein Power-Metal-Knaller mit JUDAS PRIEST-Anleihen und typischen Gesangslinien, "Pale Rider" kommt hardrockiger daher, der coole Refrain wird vom Schellenring begleitet. "Born To Fly" ist eine textlich klischeetriefende Happy-Metal-Nummer, die an Hansens HELLOWEEN-Zeit genauso erinnert, wie das bereits bekannte "Master Of Confusion" als Variation des "I Want Out"-Themas. Bis hierhin macht man keinen einzigen Ausfall, sondern ausnahmslos klasse Songs aus.
Gleiches gilt für den ebenfalls schon bekannten Titeltrack, ein Speed-Metal-Kracher (!), der gleichermaßen an frühe METALLICA wie auch IRON MAIDEN erinnert, die Keyboards im Refrain hätte man sogar ruhig noch weglassen können. "Time For Deliverance" ist eine Ballade mit QUEEN-Verweisen, die jedoch nicht aufgesetzt wirken, das etwas düsterere "Demonseed" ein eingängiger Stampfer, der aber ruhig anderthalb Minuten kürzer hätte ausfallen können. Was jedoch Meckern auf ganz hohem Niveau ist. Das wieder schnelle "Seven" und das nicht minder flotte, melodische "I Will Return" fallen im Vergleich zum Hitfeuerwerk der vorangegangen Songs ganz leicht ab, sind aber meilenweit vom Füller-Status entfernt. Der Bonustrack "Built A World" ist dafür nochmal eine Hookline-Granate, der moderne Song erinnert in den Strophen dezent an "Here Comes The Pain" von den FARMER BOYS und hat einen Refrain zum Niederknien.
Wenn man Haare in der Suppe sucht, wird man höchstens beim nicht sonderlich kreativen Albumcover fündig. Und dass Kai Hansens Stimme im Alter etwas kratziger geworden ist, bleibt nicht aus. Ansonsten gibt es an "Empire Of The Undead" nichts, aber auch gar nichts zu bemängeln.
FAZIT: Respekt! Im Jahr des 25-jährigen Bestehens nochmal so einen Knaller zu veröffentlichen, schaffen nur die allerwenigsten Bands. Hansen untermauert damit seinen Status als deutsche Metal-Legende und macht klar, dass er und GAMMA RAY noch immer in der Lage sind, Edelstahl zu schmieden und beileibe nicht zum alten Eisen gehören.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.03.2014
Dirk Schlächter
Kai Hansen
Kai Hansen, Henjo Richter
Henjo Richter
Michael Ehré
earMUSIC/Edel
61:18
28.03.2014