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Gazpacho: Demon

Stil: New Art Rock/Folk/Weltmusik

Cover: Gazpacho: Demon

Jan Henrik Ohme gibt den Chris Martin mit Trauerflor. Ein Mann leidet, nein, er erzählt eine düstere Geschichte. Von einem Dämon, der unter Menschen wandelt, dessen Präsenz in einem zufällig in einem Prager Hinterzimmer gefundenen Manuskript dokumentiert ist. Angeblich ist die Handschrift in der legendären Klosterbibliothek von Strahov ausgestellt. Doch selbst ohne den mystischen Stoff ist ziemlich offensichtlich, dass derzeit mehr als ein Dämon die Menschheit heimsucht.

Was mit Ohmes flehentlichem Gesang und verhuschten Pianoklängen beginnt, wird nach wenigen Sekunden um dräuendes Orchestergrummeln und folkloristische Einsprengsel ergänzt, um in ein kurzes hämmerndes Stakkato überzugehen, das an CRIPPLED BLACK PHOENIX erinnert. Nur der abwechslungsreiche, dunkle Einstieg in GAZPACHOs eigenwilligstes und vielleicht bestes Album bislan; welches „Tick Tock“ locker das Wasser reichen kann. TALK TALK, SCOTT WALKER, die bereits erwähnten CBP sind nur wenige der Referenzpunkte, die am Wegesrand liegen. Doch GAZPACHO sind in ihrer Komplexität eine ganz eigene Marke.

Mit traumwandlerischem Gespür wandert die norwegische Band zwischen diversen musikalischen Welten umher, schwerblütiger New Art Rock verbindet sich mit Balkan-Folk, Klezmer und dem Gestus der großen Oper – ohne je opern- oder gar musicalhaft zu sein – zu einem ganz eigenen Gebräu. Momente von atemberaubender Schönheit sind zahlreich, besonders wenn wenig Rock-affine Instrumente wie Akkordeon oder eine sehnsuchtsvolle Violine zum Einsatz kommen. ‚Der Golem oder wie er in die Welt kam‘, auch diese Geschichte könnten GAZPACHO erzählen, so selbstverständlich präsentieren sie die Nähe zu slawischen Volkstänzen, während ein Teppich aus Keyboardklängen den Hörer orchestral oder intim ins brodelnde Mysterium eintauchen lassen. „The Wizard Of Altai Mountain” ist ein Tanz auf dem Vulkan, der sich gekonnt auf einem Grenzgang zwischen Tradition und Moderne bewegt.

Rock, Klassik, Vaudeville: Der „Demon“ ist ein Derwisch, der auf diversen Hochzeiten tanzen kann und auf jeder eine gute Figur abgibt.

FAZIT: Neben allem anderen ist „Demon“ eine Liebeserklärung an Prag, dem leibhaftig gewordenen Sinnbild für Expressionismus, dunkle Mysterien und der Hoffnung, Grenzen einreißen zu können. Man merkt dem Album zu jeder Sekunde an, mit wieviel Liebe und Akribie es sich seinem Sujet widmet. Ein begnadeter Geschichtenerzähler auf einem erträumten Jahrmarkt. Zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens, wenn alles möglich scheint, die größten Hoffnungen und die tiefsten Ängste.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.05.2014

Tracklist

  1. I've Been Walking Part 1
  2. The Wizard Of Altai Mountain
  3. I've Been Walking Part 2
  4. Death Room
  5. The Cage (Bonustrack, Digipack-Edition)

Besetzung

  • Bass

    Kristian Torp

  • Gesang

    Jan Henrik Ohme, Charlotte Bredesen

  • Gitarre

    Jon Arne Vilbo

  • Keys

    Thomas Alexander Andersen

  • Schlagzeug

    Lars Erik Asp

  • Sonstiges

    Mikael Krømer, Stian Carstensen

Sonstiges

  • Label

    Kscope

  • Spieldauer

    49:39

  • Erscheinungsdatum

    17.03.2014

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