Die fliegende Teekanne ist wieder zurück - und wie!
Hier wird tatsächlich kein musikalisches Porzellan zerschlagen, sondern das gute Meißner rausgeholt!
GONG klingen anno 2014 so, als wären sie in den letzten Jahren nach den Rundflügen mit der fliegenden Teekanne sowie dem grandiosen „You“ aus dem Jahre 1974 nie weg gewesen. Allerdings hat die Stimme von DAEVID ALLEN doch schon etwas gelitten, was auf „I See You“ (Wohl nicht umsonst befindet sich im Titel des Albums auch das „You“!) recht klug dadurch überbrückt wird, dass die instrumentalen Passagen dieser Ausnahmemusiker, die eine Form von psychedelischem Space-Jazz-Rock schufen, der noch heute seinesgleichen sucht, deutlich ausgebaut wurden. Natürlich hat der Gesang, der in erster Linie mehr Sprechgesang ist, auch noch nie die erste Geige in den abgefahrenen Musikexperimenten von GONG gespielt, die anno 2014 auch nicht vor schwer psychedelischen Klängen der allerfrühsten Barrett-Floyd-Ära Halt machen oder durchaus auch eine Ian-Anderson-Flöten-Arie mit jazzigen Saxofon-Einlagen und Schunkel-Rhythmen, die ans Oktoberfest erinnern, kombinieren, um kurze Zeit später von den schwebenden Engelsgesängen in die allerhöchsten Sphären entführt zu werden. Kurze Zeit später erzählt uns dann zu einem weinenden Saxofon DAVID AELLEN von einer „Revolution“, die sich in uns befindet und nur noch darauf wartet, irgendwann richtig geweckt zu werden.
Das folgende „I See You“ ist dann eine schwere Melange aus freiem Jazz und psychedelischen Experimenten, während uns „Zion My T-Shirt“ mit weltmusikalischen Kinderchören und zarten Harfentönen überrascht und Aellen seinen Rollstuhl rauszuholen scheint, um gesanglich wie ROBERT WYATT zu klingen. Dann wiederum feuern GONG uns Percussion um die Ohren, die mit dem seltsamen Thumri-Gesang eindeutige Bezüge zu TRILOK GURTU herstellen.
Mit den beiden letzten Songs „Thank You“ und „Shakti Yoni & Dingi Virgin“ holen GONG dann noch die Longtrack-Keule samt einiger E-Gitarren raus und versüßen uns so die letzten 20 Minuten des Albums, auch wenn der Gesang hier ruhig etwas zurückhaltender hätte sein können.
Wenn wir dann aber mit einer floydschen, leicht im Ambient verankerten Klangzauberei im Stil von deutlich langsameren „Astronomy Domine“ und „Interstellar Overdrive“ verabschiedet werden, dann ist mithilfe von GONG unsere kleine musikalische Psyche-Welt wieder in Ordnung und wir legen uns noch schnell für den folgenden Hördurchgang von „I See You“ eine schöne, liebevoll gedrehte Tüte bereit, damit wir dann auch komplett abheben können, um ungesehen im Weltall-Sternenstaub zu entschweben.
FAZIT: GONG reisen mit ihrer musikalischen Zeitmaschine, dicken Engels-Eiern und ihrer fliegenden Teekanne dorthin, wo sie das große bunte YOU sehen. Ein Flug, bei dem man gerne Musik-Passagier ist.
Ein ganz trauriges PS: <a href=" http://musikreviews.de/news/DAVID-AELLEN-erlag-Krebsleiden/3766/ " rel="nofollow">R.I.P. Daevid Allen!!!</a>
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.11.2014
Dave Sturt
Daevid Allen, Orlando Allen,
Kavu Tobabi, Fabio Golfetti, Daevid Allen
Orlando Allen
Ian East (Saxofone und Flöten), Gilt Smyth (Engelsgesang und Engelsgeflüster)
Snapper Records / Mad Fish
62:37
10.11.2014