Ein neues GRAVE-DIGGER-Album? Im Kopf sind die Formulierungen schon angerissen, ehe „Return Of The Reaper“ überhaupt das erste Mal in der Anlage gestartet ist. Was soll hier schon großartig erwartet werden, nachdem man auf den letzten Alben routiniert zwischen Teutonenstahl, BLIND-GUARDIANscher Vielspur-Produktion und aufgeblähten Konzeptgeschichten unterwegs war – ohne allerdings an die wirklichen Glanztaten anknüpfen zu können, die freilich schon 15 bis 20 Jahre zurückliegen.
Und dann das: Ein GRAVE-DIGGER-Album, das den Rezensenten tatsächlich komplett überrascht. Vom furiosen Opener „Hell Funeral“ an, das dem stimmungsvollen Intro und Titeltrack folgt und den Hörer quasi vollkommen unvorbereitet überfährt, wird klar: Hier will es eine Band noch einmal so richtig wissen. Jeglicher Bombast, jeglicher Ballast, jegliche Konzeptstory wurden über Bord geschmissen, der Blick geht zurück bis zum Comeback-Album „The Reaper“ (1993), das nicht nur aufgrund des Titels, sondern vor allem aufgrund der Musik als Vorbild dient.
Schnörkellos fegt genanntes „Hell Funeral“ durch die Boxen, kraftvoll, schneidend, rasant, bündelt all die Stärken, für die GRAVE DIGGER einmal standen. Gnadenloser Heavy Metal der guten, alten (!) ACCEPT-Schule, der anno 2014 nicht eine Sekunde lang angestaubt klingt, sondern vielmehr frisch und unverbraucht. Und unverkrampft – das ist keine Selbstverständlichkeit angesichts der zahlreichen künstlich aufgeblähten Alben, die Chris Boltendahl und Co. in den vergangenen Jahren auf den Markt gebracht haben. „Wargod“ folgt ebenso furios und gnadenlos, lässt die Double Bass glühen und kulminiert in einen simplen wie nachhaltigen Refrain, den man so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Gitarrist Axel Ritt zeigt eine exzellente Vorstellung, legt einen extrem dicken Riffteppich und zeigt sich bei den Soloparts mindestens ebenso exzessiv.
Egal, ob auf der Überholspur („Road Rage Killer“, was für Gitarren!, „Satan’s Host“), im Midtempobereich („Tattooed Rider“), stampfend („Dia De Los Muertos“) oder hymnisch („Death Smiles At All Of Us“) – dieses Album ist für jeden, der seit „The Reaper“ auf einen ähnlich angelegten furiosen Ritt des Sensenmannes gewartet hat. Und anders als beispielsweise HELLOWEEN („Keeper Of The Seven Keys – The Legacy“) oder GAMMA RAY („Land Of The Free 2“), die mit ihren Versuchen, die guten, alten Zeiten auch in Form bekannter Albumtitel wieder aufleben zu lassen, zumindest teilweise Schiffbruch erlitten, trägt „Return Of The Reaper“ diesen Albumtitel vollkommen zu Recht.
FAZIT: Wer braucht schon Konzeptalben und vielschichtige Produktionen, wenn er GRAVE DIGGER in Reinform bekommen kann? „Return Of The Reaper“ ist das beste Album der Band seit „The Reaper“, weil es endlich wieder auf den Punkt kommt und genau das bietet, was die Jungs um Reibeisenstimme Chris Boltendahl eben am besten können: Klassischen Heavy Metal teutonischer Prägung ohne Schnickschnack – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. True-Metal-Album des Jahres bis jetzt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.07.2014
Jens Becker
Chris Boltendahl
Axel Ritt
Hans Peter Katzenburg
Stefan Arnold
Napalm Records
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11.07.2014