Während weite Teile der Black Metal-Szene in Selbstzitaten und kreativer Starre verkrusten, gibt es sie noch, die mutigen Bands. HAIL SPIRIT NOIR mögen musikalisch nicht gerade viel mit den ersten Black Metal-Wellen zu tun haben, die Mitte der 80er und Anfang der 90er Jahre über Europa schwappten, doch der Geist der Band ist genau derjenige, der damals auch BATHORY, MAYHEM und DARKTHRONE beseelte. Dieses griechische Trio überschreitet Grenzen und tut damit genau das, was ungezählte ach so böse Amateur-Satanisten mit Mamis Schminke im Gesicht tunlichst vermeiden.
Black Metal bedeutet eben, Regeln zu brechen und nicht neue aufzustellen, um sie dann penibel einzuhalten. Diese Philosophie haben die drei Mitglieder von HAIL SPIRIT NOIR zuvor mit TRANSCENDING BIZARRE? umgesetzt, bei letzterer Band hat sich seit der Veröffentlichung von "The Misanthrope's Fable" (2010) aber nicht mehr viel getan. Beide Projekte haben gemeinsam, dass sie den Black Metal lediglich als Ausgangspunkt verwenden und sich von dort in alle Richtungen ausbreiten. Doch während sich bei TRANSCENDING BIZARRE? die Einflüsse stets heraushören ließen, entfernen sich HAIL SPIRIT NOIR teilweise so weit von den Ursprüngen des Genres, dass sich nur noch die Grundstimmung der Songs als Black Metal bezeichnen lässt.
Den Kollegen Chris P. hatte das erste Album der Griechen 2011 noch enttäuscht. Verständlich, denn auf ihrem Debüt kam die Band nicht so recht auf den Punkt. Auf "Pneuma" zählte vor allem das Experiment, die Eingängigkeit blieb dabei auf der Strecke, obwohl HAIL SPIRIT NOIR hier schon bewiesen, dass sie in der Lage sind, treibende Riffs und erhaben-verträumte Melodien in ihren abgedrehten Sound einzuweben. Auf "Oi Magoi" ("Die Magier") gibt es nun endlich Songs, die diese Bezeichnung verdienen, sechs in sich stimmige und abgeschlossene Kurztrips in die dunklen Tiefen des Unterbewusstseins.
Das ein oder andere klassische Black Metal-Riff ist noch zu hören ("Satyriko Orgio", "Hunters"), und hier wird auch ein Schwachpunkt des Albums deutlich: der Sound. Die Gitarre klingt dünn, das Schlagzeug ist teilweise kaum hörbar in den Hintergrund gemixt. Das Problem bestand schon auf dem Vorgänger, ist möglicherweise aber gewollt, denn zu viel Aggression könnte die melancholisch-mystische Atmosphäre zerstören, die der Musik von HAIL SPIRIT NOIR ihren Reiz verleiht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Black Metal-Bands, seien sie nun traditionell oder progressiv, sind HAIL SPIRIT NOIR nicht bemüht, möglichst böse oder depressiv zu klingen. Die Herangehensweise ist hier um einiges entspannter, vielleicht liegt das an den Drogen: "Oi Magoi" klingt, als sei eine gehörige Menge Halluzinogene im Spiel gewesen.
Das Ergebnis ist nicht einfach zu beschreiben. Oft ist es nicht die Gitarre, die das Klangbild beherrscht, sondern eine entrückte Orgel, die auch mal fast fröhlich klingen darf ("Hunters"), oder andere merkwürdige Sounds. Die Riffs erinnern an SATYRICON, die ja auch seit längerem eine Schwäche für psychedelische Ausflüge haben. Teilweise steigern sich die Songs ins Tranceartige, in der ausschweifenden zweiten Hälfte von "The Mermaid" wird man schon vom bloßen Zuhören high. "Satan Is Time" und vor allem "Oi Magoi", in dem der Albumtitel wie ein Mantra ständig wiederholt wird, entwickeln einen hypnotischen Sog, der an Kirchenlieder erinnert. Dabei bleiben die Songs in ihrem Aufbau einfach genug, um eingängig zu sein: HAIL SPIRIT NOIR sind progressiv, ohne übermäßig verkopft zu werden.
FAZIT: Ein Erlebnis. Wer von der immer gleichen Black Metal-Nummer allmählich gelangweilt ist, sollte mal bei HAIL SPIRIT NOIR reinhören. Die Griechen beschreiten neue Wege, ihre psychedelische schwarze Messe macht andere Rauschmittel überflüssig. Das schreibt hier übrigens einer, der mit experimenteller Musik in der Regel so viel anfangen kann wie seine Mutter mit Black Metal.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.01.2014
Dim
Theoharis
Dim, Theoharis
Haris
Code666 Records
49:22
20.01.2014