Das hätte man nicht erwartet nach kommerziellen Höhenflügen und sachten Akustik-Sessions vor großer Kulisse: erstmals ausschließlich eigene beziehungsweise mit Songwriting-Partnern ersonnene Stücke sowie stilistische Wagnisse, kernige Härte und dennoch kein bisschen weniger Feeling als bisher - Joe Bonamassa spielt sich endgültig aus dem herkömmlichen Blues frei, falls man ihm das nicht sowieso schon längst unterstellt hat (die blauen Hardliner ...) oder den einstigen Wunderknaben im glatten Mainstream abstellt - zu Unrecht, wie "Different Shades Of Blue" zeigt, eine Platte mit selbstredendem Titel.
Nach dem Intro "Hey Baby" bewegt sich das nach Frage-Antwort-Prinzip (nur Gesang, dann feiste Riffs mit Orgel-Fundament) gestrickte "Oh Beautiful!" noch im gegebenen Rahmen - ebenso wie der Boogie "I Gave Up Everything For You, 'Cept The Blues" später - aber schon ein Bläser-Funk wie "Love Ain't A Love Song" erinnert beinahe an TOWER OF POWER, ein relatives Novum für Bonamassa. Selbst "Heartache Follows Wherever I Go", das Titelstück sowie das gleichsam schwelgerische "Never Give All Your Heart" (Solo!), die zum eng umschlungenen Tanz in einem verrauchten Club animieren, zeigen noch Biss, und "Trouble Town" überrascht mit Honky-Tonk-Klavier nebst stolperndem Rhythmus fürs Varieté, ehe "So, What Would I Do" noch einmal den Slow Blues durchexerziert.
Und der viel gerügte Kevin Shirley darf sich damit brüsten, all das produktionstechnisch trefflich inszeniert zu haben.
FAZIT: Das stärkste Bonamassa-Album seit langem greift nicht auf alte Heroen zurück, gleichwohl die Bezüge zu selbigen zumindest noch marginal erkennbar sind, sondern begeht einen gekonnten Spagat zwischen stilistischer Befreiung und Treue gegenüber der traditionellen Klientel, ohne wie ein fauler Kompromiss daherzukommen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.09.2014
Carmine Rojas, Michael Rhodes
Joe Bonamassa, Doug Henthorn, Melanie Williams
Joe Bonamassa
Reese Wynans
Anton Fig, Lenny Castro
Lee Thornburg (Trompete, Posaune), Ron Dziubla (Saxophon), das Bovaland Orchestra (Streicher)
Mascot / Provogue
48:25
19.09.2014