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Reviews

Machine Head: Bloodstone & Diamonds

Stil: opulenter Groove/Thrash Metal

Cover: Machine Head: Bloodstone & Diamonds

MACHINE HEAD haben es nicht leicht. Warum? Weil sie so unverschämt gut sind. Schmissiger Ausdruck, ausführliche Erklärung: wer es mit Album Nr. 6 schafft, nach „Burn My Eyes“ ein weiteres Meisterwerk auszubrüten, hat eigentlich schon gewonnen, wer sich aber mit dem Nachfolger mehr als achtbar aus der Zwickmühlenaffäre zieht, der gehört zu den Besten. Doch am Nachnachfolger lässt sich sehr gut ablesen, worüber die Amis letztendlich stolpern könnten.

Schon Anfang 2013 (kurz vor dem Rausschmiss von Bassist Adam Duce) verkündete Robb Flynn freudig, dass MACHINE HEAD bereits an neuen Songs arbeiten. Zur Erinnerung: "Unto The Locust" betourte man bis Ende August 2014. Leicht nervös wurde die Szene aber erst, als die US-Tour mit CHILDREN OF BODOM, EPICA und BATTLECROSS unter Eröffnung einiger Nebenkriegsschauplätze abgesagt wurde, um letzte Hand an das Album zu legen. Der Releasetermin wird zwar dadurch eingehalten, die so schon peinlich genauen Kritiker dürften aber erfolgreich angestachelt worden sein.

Bei all der Hektik erstaunt es dann schon, dass MACHINE HEAD ein aufwändiges (Marketing-)Konzept um "Bloodstone & Diamonds" gestrickt haben. Trailer und Musikvideos unterstützen die detaillierten Artworks, Bonus-Editionen bieten von einem umfangreichen Mediabook bis zur passenden Gitarre (!) alles, was das Herz begehrt. Auch der Name und die fast ausgereizte Spiellänge von knapp 71 Minuten deuten darauf hin, das „Bloodstone & Diamonds“ ein Album für die Ewigkeit sein soll.

Da passte es der Band natürlich gar nicht ins Konzept, dass das Eröffnungsdoppel 'Now We Die'/'Killers & Kings' schon Wochen vor der Veröffentlichung geleakt wurde. Sie nahmen es aber professionell und gaben die Songs ganz offiziell zum Download frei. Das Album beginnt programmatisch mit Streichern, die angenehm dosiert und an den richtigen Stellen eingesetzt werden. Bis auf den ruhigen, mit Pianoklängen unterlegten Mittelteil ist 'Now We Die' ein guter, im Midtempo gehaltener MACHINE HEAD-Song, der allerdings nicht ganz so hitverdächtig daher kommt, wie der Großteil des Vorgängers. Auf dem hatten die Amis wenigstens erkannt, dass sie die hohe Schlagzahl an vorzüglichen Riffs auf „The Blackening“ unmöglich werden halten können und trotz aller Experimente einen weitaus aufgeräumten Ansatz gewählt. 'Killers & Kings' wiederum ist der einzige Song, der ohne großen Firlefanz auskommt, der aber einfach nicht so richtig zünden will.

In 'Ghosts Will Haunt My Bones' kommen noch mehr Trademarks zum Zug. Das groovige Hauptriff versucht sich an der Einmaligkeit von 'Halo' und dem typischen Einsatz von Harmonics wird sogar ein ganzes Riff gewidmet, aber trotz der wütenden Vocals von Robb Flynn bleibt der Song zu zahm. Schon besser macht sich 'Night Of Long Knives', der über ein großartiges Hardcore-Riff und für die Band untypische Blast Beats verfügt, jedoch zugunsten eines kompakteren Eindrucks auf einige Schlenker hätte verzichten können. Aber das alles ist verschmerzbar, beim Rest gestaltet sich das schon schwieriger.

‚Sail Into The Black‘ bringt es auf 8 ½ Minuten und folglich geht man davon aus, dass das durchaus interessante, epische Intro wie in den meisten Songs nach spätestens zwei Minuten abgehandelt ist. Bis hier zum ersten Mal die Instrumente ins Spiel kommen (und Neubassist Jared MacEachern nicht zum ersten Mal glänzen darf), dauert es jedoch über vier Minuten und auch die restlichen vier Minuten haben wenig mit einem klassischen Lied zu tun. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Band live nicht an dieser Nummer versuchen. Das nächste Intro folgt auf dem Fuße, nimmt zum Glück nur eine Minute ein und unterstützt ‚Eyes Of The Dead‘ weitaus nachvollziehbarer. Auch hier gilt: gut, aber nicht wirklich herausragend. Es fällt zudem zunehmend auf, dass sich die meisten Stücke in ihrem Aufbau ähneln. Intro – Song – ruhiger Mittelteil – Solo – Breakdown; und Robb Flynn schreit sich wütend die Seele aus dem Leib. Das klingt alles ambitioniert, aber eben nicht überzeugend.

Neue Pfade betreten MACHINE HEAD auch in ‚Beneath The Silt‘, dessen ultra tief gestimmtes Groove-Riff eher an DOWN erinnert und relativ schnell auf den Punkt kommt. Aber irgendwie wirkt das Stück unfertig, der Pre-Chorus engagierter als der eigentliche Refrain. Immerhin besser als das gruselige ‚In Comes The Flood‘, das den Einsatz von Klassik auf die Spitze treibt. Nach dem bedeutungsschwangeren Streicher-Intro versuchen sich selbst die Gitarren an Motiven aus der Klassik, der Song selbst bleibt relativ unspektakulär. Erschreckend ist hingegen mit welcher Inbrunst die Band mit christlichen Motiven versucht, den eigenen Landsmännern und –frauen ins Gewissen zu reden.

‚Damage Inside‘ ist die erste, lupenreine Ballade in der Bandgeschichte, bleibt aber hinter dem ähnlich klingenden Beginn von ‚Darkness Within‘ von „Unto The Locust“ deutlich zurück. ‚Game Over‘ gehört ebenfalls in die Kategorie „zu lang“ und „zu umständlich“, da die Riffs und auch der Refrain an sich wirklich gut sind, aber viel zu lang um sich selber kreisen. ‚Imaginal Cells‘ ist ein weiteres Zwischenspiel, das auf den Spuren von MUSEs ‚Unsustainable‘ wandelt. Zum Glück gibt es keinen Dubstep, dafür ist man sich aber nicht ganz so sicher, ob MACHINE HEAD das kritisieren, was sie da von Dritten aussprechen lassen oder ob sie selber an die Apokalypse und die Kraft der „imaginal cells“ glauben. Zum Abschluss gibt es das stampfende ‚Take Me Trough The Fire‘, das aber nichts Aufregendes mehr auszusagen hat.

FAZIT: „Bloodstone & Diamonds“ klingt opulent und monströs, aber leider auch überladen und überfordernd. MACHINE HEAD wollten ein monumentales Meisterwerk schreiben, haben dabei aber den roten Faden vergessen. Das Album und die meisten Songs sind nicht schlecht, wirklich herausragend ist aber nichts. Die Band hat viele Ideen, weiß jedoch an wichtigen Stellen nicht, wann es genug ist mit dem Pathos und dem Kitsch. Die Amis stolpern also letztendlich über sich selbst, was nach der Geschmackssicherheit der letzten Jahre kaum zu vermuten war.

Punkte: 9/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.11.2014

Tracklist

  1. Now We Die
  2. Killers & Kings
  3. Ghosts Will Haunt My Bones
  4. Night Of Long Knives
  5. Sail Into The Black
  6. Eyes Of The Dead
  7. Beneath The Silt
  8. In Comes The Flood
  9. Damage Inside
  10. Game Over
  11. Imaginal Cells
  12. Take Me Through The Fire

Besetzung

  • Bass

    Jared MacEachern

  • Gesang

    Robb Flynn

  • Gitarre

    Phil Demmel; Robb Flynn

  • Schlagzeug

    Dave McClain

Sonstiges

  • Label

    Nuclear Blast

  • Spieldauer

    70:51

  • Erscheinungsdatum

    07.11.2014

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