Blenden wir mal aus, dass die Neueinspielung eines 25 Jahre alten Bandklassikers im Grunde genommen obsolet ist. Blenden wir aus, dass es die kreative Kapitulation ist, nur noch als Coverband der eigenen Großtaten in Erscheinung zu treten. Blenden wir aus, dass MANOWARs True-Metal-Meisterwerk „Kings Of Metal“ 1988 der erste Schritt in den Weltstar-Status war (blenden wir auch aus, dass es gleichzeitig auch der erste Schritt in den Abgrund war, aber das nur am Rande erwähnt), dass das Album auch heute, 26 Jahre später, nur wenig Ansätze für eine Verbesserung liefert.
Wenn wir all diese Punkte ausblenden, dann, ja dann kann man sagen: „Kings Of Metal MMXIV“ ist ganz in Ordnung. Die Band um Chefideologe Joey DeMaio hat sich tatsächlich darum bemüht, den Songs neue Arrangements zu verpassen, hat hier und da das Tempo variiert, neue Parts hinzugenommen, die Lyrics abgewandelt. Soweit ist MANOWAR kein Vorwurf zu machen – ungeachtet der Tatsache, dass das Grundgerüst des ursprünglich sechsten Albums der Bandhistorie unangetastet blieb. Nebensächlich: Die Reihenfolge der Songs wurde im Vergleich zum Original komplett durcheinandergewirbelt. Ob es sinnvoll ist, den Doublebass-Hammer „Wheels Of Fire“ statt als Opener– wie auf dem Original-Album – ganz ans Ende zu platzieren – wie in der Neueinspielung – ist Geschmackssache und am Ende kaum ausschlaggebend für die Qualität dieses Albums.
Dass mächtige Metal-Epen wie „Hail And Kill“, „The Blood Of The Kings“, „Thy Kingdom Come“, „Kings Of Metal“ oder „Heart Of Steel“ auch in den Neueinspielungen zumindest gut-, manchmal gar hochklassig klingen, zeugt von der großartigen Substanz, die diese Klassiker besitzen. Auch wenn manche Änderung in den Arrangements ganz offensichtlich nur um der Änderung willen eingestreut wurde: Diese Songs funktionieren. Auch wenn Eric Adams in den ganz hohen Lagen und bei den einst markerschütternden Screams bei weitem nicht mehr so viel Kraft besitzt wie noch vor fünf, sechs Jahren. Manchmal regen die Änderungen sogar zum Schmunzeln an – wenn beispielsweise in „The Blood Of The Kings“ zahlreiche neue Länder in den Lyrics auftauchen, in denen MANOWAR bereits aufgetreten sind, oder wenn gregorianische Mönchschöre „Heart Of Steel“ anreichern.
Wie gesagt: Diese Songs funktionieren. Bis – ja, bis Karl Logan ins Spiel kommt. Spätestens, wenn der Gitarrist zu einem seiner furchtbar uninspirierten Soli ansetzt, stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Neueinspielung in finaler Weise. Annähernd jeden Song auf „Kings Of Metal MMXIV“ soliert Logan so ins Koma, lässt jegliche Atmosphäre, auf dem Original mit Händen zu greifen, in Sekundenbruchteilen seiner Shredsoli zerplatzen. Nur zur Erinnerung: Auf dem Original ist Ross The Boss zu hören. Der Unterschied zwischen diesen beiden Gitarristen ist in etwa so groß wie der zwischen einem Original Wiener Schnitzel vom Drei-Sterne-Koch und einem Toasty. Don’t call it guitar hero.
Und so kippt die Waage, entfernt sich rasant vom ursprünglichen „ganz in Ordnung“. Wenn man wieder einmal über das nervtötende Gedudel des Gitarristen gestolpert ist, tauchen weitere kritische Fragen am geistigen Horizont auf. Wieso muss der „Warriors Prayer“, die Heldengeschichte, die der Großvater seinem Enkel erzählt, stimmlich so grotesk überzeichnet dargeboten werden? Wieso werden gleich drei Versionen von „Heart Of Steel“ präsentiert, ebenso von „The Crown And Thy Ring“? Ob jetzt „orchestral“ oder „instrumental“ – ganz egal. Wieso wird das ursprüngliche Cover in der Neuauflage in den Schmutz gezogen? Und letztlich: Wieso, ja, wieso nur haben MANOWAR „Kings Of Metal“ noch einmal neu aufnehmen müssen?
FAZIT: „Other bands play, MANOWAR kill“? Das war einmal – und wird nicht mehr.
PS: Die CD-Version mit Namenszusatz „Silver Edition“ erscheint als Doppel-CD mit zwei üppigen Booklets - zumindest vom reinen Preis-Leistungs-Verhältnis kann man MANOWAR keinen Vorwurf machen - wenn Quantität denn wichtiger ist als Qualität. Oder Kreativität. Oder Integrität.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.03.2014
Joey DeMaio
Eric Adams
Karl Logan
Donnie Hamzik
Magic Circle Entertainment
91:33
21.03.2014