<b>E</b>xperimentell <b>e</b>rzeugte <b>P</b>rog-<b>S</b>uppe?
<b>E</b>xtrem-<b>E</b>ier-<b>P</b>ower-<b>S</b>hit?
<b>E</b>xtraordinary <b>E</b>picness <b>p</b>er <b>S</b>ong?
<b>E</b>in <b>E</b>inzelner <b>p</b>erformt <b>s</b>olo?
Alles Quatsch. Der Mann, der gerne T-Shirts mit Krümelmonster- oder Muppets-Motiven trägt, Gummischweine als Drums missbraucht und Homer-Simpson-Zitate als Beat-Vorlage verwendet, ist bei der Titelauswahl für sein neues Album natürlich nicht auf der Suche nach einem höheren Sinn. EEPS ist kein Akronym, sondern lockere Onomatopoesie, die selbst Adam West die Schamesröte ins Gesicht treiben würde. Folglich vernimmt man auf dem Titeltrack eine Abfolge von Rülps-Samples, die eben klingen, als wenn man mit viel Bass in der Stimme „Eeps“ sagt. SCOTT WALKERs expressionistischer Fäkal-Kanonade „Bish Bosch“ wäre damit schon mal Genüge getan.
Seit rund zwanzig Jahren veröffentlicht Marco Minnemann jetzt schon Soloalben. Man sollte meinen, in einer solchen Zeitspanne findet man irgendwann seinen Platz und macht es sich dort gemütlich. Nicht so mit Minne! Dieser Mann klingt selbst heute noch probierfreudiger als so viele Künstler, die gerade erst ihre Karriere starten. Ein leeres Glas, nach all der Zeit mit so vielen bedeutsamen Musikern und so viel gehaltvollem Input. Unfassbar.
Selbst, wenn am Ende dieser Kritik nicht die höchste Note steht, weil „EEPS“ einfach kein typisches Must-Listen-Album ist, so sollte man doch diese besondere und oftmals unterschätzte Eigenschaft einmal herausheben. Perfektionismus ist eine allzu schnell abgefeierte Musikertugend - sich selbst und sein Schaffen aber über einen längeren Zeitraum so wenig ernst zu nehmen, dass man einfach immer wieder jeden Blödsinn ausprobiert, das ist die womöglich größere Errungenschaft.
„EEPS“ ist einmal mehr Ausdruck dieser bewussten Richtungslosigkeit, bei der alles möglich erscheint, was denkbar ist. Jenes leere Glas, das Minnemann selbst verkörpert, bietet er dem Käufer auch gleich zum Selbstauffüllen an. Da muss man dann auch auf Kleinigkeiten wie ein homogenes Gesamtbild nicht achten: Auf 15 oder 18 Songs (je nachdem, welche VÖ man ergattert) werden massenweise Improvisationen geboten, die so unterschiedlich sind, dass die meisten Rezensenten wohl beherzt zur Track-by-Track-Review-Option greifen werden.
Solo heißt bei Minnemann natürlich auch weiterhin wirklich solo; ob Gitarre, Keyboard oder selbst Gesang, man darf sich fast immer sicher sein, dass der Chef persönlich an der Bedienung steht. Natürlich gibt dennoch das Schlagzeug den Ton an, alles andere wäre bei einer Soloplatte von einem der besten aktuellen Fusion-Jazzrock-Drummer auch kontraproduktiv. „Cheap As F**k And Awesome As Hell“ eröffnet also mit virtuoser Trommelei, die sich widernatürlich zu einer fortlaufenden Kette von Fills fortbildet, zu denen wild brummende Gitarren willkürlich gesetzte Akzente setzen. Spätestens ab „OC DC“ geht dann der Zappa mit ihm durch: Gerade an diesem Stück, das vollkommen atonal, ungestimmt und schief arrangiert ist, lässt sich der Geist ablesen, der dem Multiinstrumentalisten innewohnt. Es geht darum zu zeigen, was geschieht, wenn zwei (und mehr) Instrumentspuren zusammenkommen, die eine Person nicht nur komponiert, sondern auch selbst umgesetzt hat. Die dabei erzeugte Dynamik lässt sich schließlich von keinem Bandgefüge reproduzieren.
Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich auch, dass hier reinstes Skizzenwerk zu erwarten ist, mehr noch als auf den ohnehin bereits skizzenhaften ARISTOCRATS- und LRM-Platten. Zwar gibt es mit “Sushi Cat Doll“ sogar einen Longtrack, der auch qualitativ zu den Highlights gehört, doch selbst hier geht es vor allem um die Hallowachwirkung eines plötzlichen Manövers. Der Stimmungsumschwung beim unbekümmerten Strichwechsel vom Happy Punk hin zur melancholischen Artrock-Nummer wird so zum atemberaubenden Moment, wenn man ihn nach Kriterien der Unvorhersehbarkeit beurteilt.
Die Ungebundenheit an bestimmte Stile oder an Regeln bedeutet natürlich nicht, dass Minnemann nicht auch seinen Einflüssen Tribut zollt. Diesmal lassen sich neben Zappa vor allem THE POLICE heraushören. Deren unvergleichlicher Session-Charakter, dieses Gefühl, am Strand zu sitzen und jede Kokosnuss, jede Baumrinde und jeden Kieselstein in Griffnähe zum spontan Rhythmuswerkzeug zu machen, legt sich auf das gesamte Album nieder. Dadurch entsteht trotz der stilistischen Brüche und der mitunter auch mal deftigen E-Gitarren eine herzliche Wärme, wobei ein Song wie „Sunshine“ auch nicht davor halt macht, gerade diese warme, mitunter ins Kitschige abdriftende Stimmung ironisch zu brechen.
FAZIT: Wehe dem, der hoch oben auf dem Drahtseil steht und Schwindelgefühle bekommt – griffige Songgerüste, an denen man sich festklammern könnte, bietet „EEPS“ nicht, wohl aber einen Musiker, der nach all den Jahrzehnten den Spaß am Ausprobieren nicht verloren hat. Dass Marco Minnemann im richtigen Moment voll bei der Sache sein kann und präzise Höchstleistungen hervorruft, hat ja STEVEN WILSONs letztes Soloalbum bewiesen und wird es hoffentlich auch wieder sein nächstes. Bis dahin läuft sich sein Session-Schlagzeuger schon mal sehr beeindruckend warm. In diesem Sinne:
Robin: „Heiliger Bimbam, Batman! Der Joker hat Rülps-Brause in dein Bier getan. Du wirst jetzt aufstoßen, bis deine Luftröhre platzt!“
Batman: „Eeps!“
Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.09.2014
Marco Minnemann
Marco Minnemann
Marco Minnemann
Marco Minnemann
Marco Minnemann
Scott Schorr (Bass, Keyboards und Gitarre auf "Villain Vultures")
Lazy Bones
79:16
29.08.2014