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Margin: Psychedelic Teatime

Stil: Psychedelischer Tripp durch den 60er/70er-Jahre-Prog

Cover: Margin: Psychedelic Teatime

Hat sich schon mal jemand eine Tasse Tee beim Hören von PINK FLOYDs „Echoes“ eingegossen?
Nein?!
Also ich kenne da jemanden, der das garantiert schon mehr als einmal getan haben muss!!!

Vorab allerdings gestehe ich unumwunden, dass ich als Kritiker ein absoluter Retro-Prog-Freak bin, dem heutzutage Tränen in den Augen stehen, wenn junge, ambitionierte Musiker es schaffen, endlich wieder die musikalischen Universen zu errichten, welche die eigentlichen Götter, nach denen sie benannt worden sind, längst verlassen oder im schlimmsten Falle, wie bei MIKE OLDFIELD oder YES, regelrecht durch 0-8-15-Pop-Einheitsbrei niedergerissen haben. Darum war ich sehr glücklich und dankbar, als beispielsweise der britische Multiinstrumentalist ROBERT REED der Oldfieldschen Peinlichkeit „Man On The Rocks“ sein „Sanctuary“ entgegensetzte, welches mir endlich wieder mein mich glücklich machendes Tubular-Bells-Nostalgie-Gefühl zurück brachte, während ich olle Oldfield am liebsten in seine tubularlosen Glocken getreten hätte.

Und darum bin ich auch heute besonders dankbar, wenn diesmal ein deutscher Multiinstrumentalist unter dem Namen MARGIN mir mein Meddle-, The-Piper-At-The-Gates-Of-Dawn- & A-Saucerful-Of-Secrets-Universum wiedergebiert, während die eigentlichen Götter namens PINK FLOYD mit einer musikalischen Resteverwertung ihre Fan-Pilger abfertigen. Allerhöchste Zeit also für uns, dieses Mal nicht mit Alan und seiner Atom-Herz-Mutter ein psychedelisches Frühstück einzunehmen, sondern mit LUTZ MEINERT eine psychedelische MARGIN-Teestunde einzulegen und diese von ganzem Herzen und mit riesigen Ohren zu genießen.

Ähnlich wie ein ROBERT REED, der sich der Musik Oldfields mit Haut und Haaren verschrieben und gleich alle Instrumente selber eingespielt hatte, verhält es sich auch mit dem Multiinstrumentalisten Meinert. Unfassbar, dass ein einzelner Musiker mit ein ganz wenig Unterstützung durch eine Sängerin und einen (akustischen) Gitarristen solo dieses unglaubliche PINK FLOYD-Gefühl, das sich an den frühsten Werken, ganz besonders aber solchen Titeln wie „Echoes“ oder „Interstellar Overdrive“ orientiert, „reanimieren“ kann. Schreiben, komponieren, arrangieren, produzieren, Album gestalten und Bild entwerfen natürlich alles inklusive.
Da muss doch irgendwas schief gehen, oder?
Nein! Da geht nichts schief!
„Psychedelic Teatime“ klingt wie eine deutsche Hommage an PINK FLOYD, welche nicht zu einem geklonten zweiten „Tee“-Aufguss verkommt, sondern der pure Genuss ist. Selbst die Texte sind völlig unpeinlich und beschreiben, was wir alles erreichen können, wenn wir uns nur etwas mehr auf unsere eigene Fantasie verlassen würden. Auch der Klang ist lebendig modern, aber auch irgendwie in den 70ern verankert, wodurch wir kristallklaren Sound plus beeindruckende Stereo-Effekte genießen können.
Er hat wirklich eine unendliche Fantasie, dieser LUTZ MEINERT!

Absoluter Höhepunkt des Albums ist das „Astronomy Domine“ der „Psychedelic Teatime“, welches sich natürlich auch gleich der astronomischen Planetenkunde öffnet und „Last Exit To Pluto“ heißt. So schön, so psychedelisch, so berauschend kann anno 2014 eine ganze Tasse voller psychedelischer Geheimnisse klingen, während es im Jahr 1968 nur eine Untertasse voll davon gab. Hier pfeifen tatsächlich nicht nur die Spatzen vom Dach, sondern auch vom Tor der Dämmerung.

Natürlich vernehme ich bereits, während ich beeindruckt zwischen meinen Boxen sitze, zum x-ten Male das Album höre und diese Zeilen schreibe, schon gemahnende Rufe: „Das gab‘s doch schon mal! Das klingt doch nur wie ein floydianisches Abbild! Bla, Bla, Bla!“
Doch ich denke mir: „Lass sie doch rufen, diese Prog-Moralisten. Statt zu nörgeln, solltet ihr glücklich darüber sein, dass uns ein deutscher Musiker mit diesem Album beglückt, welches PINK FLOYD so garantiert niemals mehr hinbekommen hätten!“
Ich zumindest bin dankbar dafür, dass es auch heute noch Musik gibt, die mich daran erinnert, wie wertvoll mir einst solche Klangerlebnisse waren und diese Vergangenheit endlich auch in meine Gegenwart rücken, auch wenn das meine ehemaligen Götter selbst nicht mehr hinbekommen, egal ob sie nun YES, PINK FLOYD oder MIKE OLDFIELD heißen.

Übrigens weiß ich aus sicherer Quelle, dass eine der absoluten Lieblings-LPs - also die „Insel-Platte“ - von LUTZ MEINERT „Thick As A Brick“ von JETHRO TULL ist.
Wer weiß, was uns da demnächst noch erwartet?
Nach „Psychedelic Teatime“ zumindest traue ich diesem deutschen Multiinstrumentalisten, der sogar noch gut singen kann, wirklich alles zu!

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FAZIT: Wer noch immer den unstillbaren Wunsch verspürt, progressive Rockmusik zu hören, die etwas nach frühen PINK FLOYD und dem zur Unsterblichkeit verdammten Krautrock, welcher noch immer süchtig macht, klingt, der sollte sich unbedingt Zeit für diese psychedelische Teestunde mit MARGIN nehmen, welche garantiert auch bei anderen berauschenden Verführungen hervorragend geeignet ist. Ein grandioses Debüt!

PS: Wen wundert’s nach dieser Kritik noch, dass “Psychedelic Teatime” tatsächlich auch beim 32. Deutschen Rock- & Pop-Preis 2014 gleich zwei Auszeichnungen abräumt?
1. Platz als “Beste Studioaufnahme des Jahres 2014” &
2. Platz als “Beste Progressive-Band des Jahres 2014"!

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.10.2014

Tracklist

  1. A Mysterious Cup Of Tea (Part 1 - 5)
  2. Psychedelic Underground - The Short Trip
  3. Landscapes On The Sky
  4. Last Exit To Pluto
  5. Psychedelic Underground - The Long Trip

Besetzung

  • Bass

    Lutz Meinert

  • Gesang

    Lutz Meinert, Carola Meinert

  • Gitarre

    Lutz Meinert, Arne Spekat

  • Keys

    Lutz Meinert

  • Schlagzeug

    Lutz Meinert

Sonstiges

  • Label

    Eigenvertrieb

  • Spieldauer

    56:41

  • Erscheinungsdatum

    30.06.2014

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