Nein! Nein! Nein!
Bitte glaubt ihnen nicht, den Werbeanzeigen in diversen Musikzeitschriften, auf denen in fetten Lettern „Zurück zu den Wurzeln – MIKE OLDFIELD mit Man On The Rocks“ steht! Sie sind verlogen, komplett unwahr! Denn mit „Man On The Rocks“ reißt Oldfield all seine früheren Wurzeln, die seine Musik für uns damals so wertvoll machte und als etwas Außergewöhnliches erscheinen ließ, aus und trampelt die verbliebenen Reste zusätzlich noch nieder!
Natürlich!
Auch das war zu erwarten (Und damit meine ich nicht die Abkehr von früheren Oldfield-Idealen, sondern ...)!
In den deutschen Charts katapultiert sich das sonnige Gutelaune-Scheibchen von Mr. Bahamas-Urlauber Oldfield mit seiner Pauschal-Touristen-Musik „Man On The Rocks“ von 0 auf 3.
Herzlichen Glückwunsch Herr Oldfield – und die Frau HELENE FISCHER werden Sie auch noch vom ersten Charts-Scheiß-Platz verdrängen. Verdient hätten Sie's, denn jetzt passen sie tatsächlich in diese Reihe der deutschen schlagerhaften Erfolgsmusiker reibungslos mit hinein!
Nur Vorsicht!
Auf Platz 6 lauert schon PETER MAFFAY, kurz gefolgt von ANNETT LOUISAN (8) und WOLFGANG PETRY (9) sowie SEMINO ROSSI (10). Die wollen da auch alle hin und vielleicht hätten Sie, Herr Oldfield, doch noch besser wenigstens einen deutschen Schlagertitel auf ihrem Album unterbringen können, wie es bereits die BEATLES oder ELVIS PRESLEY vorgemacht haben.
Aber das kommt bestimmt noch!
Dabei war doch anno 2008 „Music Of The Spheres“ noch eine kleine Hoffnung, die 2013 mit „Tubular Beats“ einen deutlichen Dämpfer bekam. Aber „Man On The Rocks“ ist nunmehr der oldfieldsche musikhistorische Arschtritt allererster Güteklasse in Richtung all derjenigen, die noch immer an ein anspruchsvolles Musik(er)leben nach „Tubular Bells“, „Ommadawn“, „Hergest Ridge“, „Incantations“ und „Amarok“ glaubten.
Besonders erschwerend kommt aber noch hinzu, dass der Sänger auf „Man On The Rocks“, LUKE SPILLER (Wer bitte ist das und warum singt der?), genau die 0 ist, die vor der 8 steht, welcher die 15 folgt. Früher durften wir ja wenigstens auf den weniger verhunzten Oldfield-Pop-Titeln begnadete Sänger(innen), die MAGGIE RILEY, BONNIE TYLER, ROGER CHAPMAN, JON ANDERSON oder ANITA HEGERLAND hießen, hören. Jetzt reicht's nur noch zur spillrigen 0-8-15-Stimme eines Spiller.
Da ist es noch nicht mal mehr unfassbar, dass sich „Moonshine“, ganz ohne Shadow, sogar bei der Filmmelodie von „Titanic“ bedient. Es ist eher ein Zeichen: „Man On The Rocks“ ist das Titanic-Album von MIKE OLDFIELD, denn es geht mit Mann und Maus und Melodie und Rhythmus aber sowas von unter, dass jegliche Rettung unmöglich ist. Wer Oldfield, so wie ich, für seine kleinen Symphonien, die er als Multiinstrumentalist mit riesigem Aufwand und unerschütterlicher Leidenschaft schuf, liebte, der wird – so leid mir das tut – dieses 0-8-15-Pop-Album hassen, das noch nicht einmal wirklich Hitverdächtiges wie die Schatten im Mondlicht oder an der Wand aufweist. Und selbst wenn hier ausgiebig über Inseln gesungen wird, strahlt nicht ein Song auch nur im entferntesten das „Islands“-Gefühl aus, das uns BONNIE TYLER auf der gleichnamigen Oldfield-Platte, die auch nicht gerade zu seinen Meisterwerken gehörte, vermittelte.
„Man On The Rocks“ weist aber neben der grottenschlechten musikalischen Qualität, die natürlich in einem wohl klingenden Sound-Gewand „verkleidet“ wurde, eine zusätzliche, sehr seltsame Besonderheit auf. Mit diesem Album kehrt Oldfield zu dem Plattenlabel VIRGIN, das er 1990 nicht gerade im Frieden verlassen hatte und welches eigentlich für mehr progressiven Rock als billigen Pop steht, zurück. Vielleicht ist das für beide Seiten marktwirtschaftlich betrachtet eine gute Entscheidung. Aus musikalisch-künstlerischer Sicht aber eine absolute Katastrophe!
Die abschließende Ballade „I Give Myself Away“ bringt schon im Titel das Desaster um MIKE OLDFIELD auf den Punkt. Er hat sich verschenkt und erfüllt noch nicht einmal unsere Hoffnung, wenigstens, als so eine Art Entschädigung für seine alten Fans, einen längeren Instrumentaltitel auf „Man On The Rocks“ unterzubringen. Verschenkt an den Massengeschmack spielt er nur noch Gitarre in einer x-beliebigen Pop-Band, die doch tatsächlich seinen Namen trägt. Doch statt sich dafür zu schämen, scheint er sich auch noch auf den Bahamas, sonnengebräunt und vielleicht sogar mit sich selbst völlig im Reinen, was ihm vergönnt sei, damit zufrieden zu geben: „I give myself away […] Completely!“
Warum nur teilt er uns diese Botschaft mithilfe einer sechzigminütigen CD mit?
Das musst wirklich nicht sein!
FAZIT: Ja, lieber MIKE OLDFIELD, das war ja nun wohl nichts gewesen! Nach dieser lauen Pop-Scheibe ist dein Name schwer besudelt und Schuld daran bist du selber, weil du plötzlich Musik – auch an deine Fans, die gar nicht anders können, als alles von dir zu komplettieren – verkaufst, die es nicht wert ist, auch nur gehört zu werden, wenn sie mit deinem Namen in Verbindung steht. Nach solchem Rohrkrepierer würde höchstens noch einmal ein Radikalwandel der Marke „Amarok“ helfen, wie er dir einmal schon geglückt ist. Ich selber allerdings glaube nicht daran und höre darum als akustische Rettung nach „Man On The Rocks“ das neuste Album von MARTEN KANTUS, der tatsächlich das Gefühl mit seiner Musik bei mir zu vermitteln versteht, welches du mir früher vermitteltest und auf dem du jetzt nur noch mit aller Pop-Brutalität herumtrampelst.
„Shame on you, Mr. Oldfield!“
PS: Wie natürlich nicht anders zu erwarten war, gibt’s von diesem Album auch noch eine „Deluxe Edition“ und ein „Super Deluxe Boxset“ oder Doppel-LPs im farbigen Vinyl. Aber auch das macht den Dreck, der aus diesen keinesfalls musikhistorischen Steinen rieselt, um keinen Deut besser!
Punkte: 2/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.03.2014
Leland Sklar
Luke Spiller
Michael Thompson, Mike Oldfield
Matt Rollings
John Robinson
Virgin / EMI
57:32
28.02.2014