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Reviews

Nazareth: Rock'N'Roll Telephone

Stil: Rock, Blues und Balladen mit kranker Stimme vorgetragen

Cover: Nazareth: Rock'N'Roll Telephone

Der große Abgesang!
Oder ein großes Abgesangs-Album?
Wie auch immer man das „Rock‘N‘Roll Telephone“ nennen will - es ist das vorab bereits angekündigte letzte Album mit der NAZARETH-Stimme DAN McCAFFERTY!

Dieses Album aber ist, genauso wie die Band und die britische Kult-Telefonzelle auf dem Cover, irgendwann einmal in der Vergangenheit stehen geblieben und wurde so erst von der Gegenwart eingeholt und der Hoffnung auf ein musikalisch spannendere Zukunft endgültig abgehängt. Kein Anschluss mehr unter dieser NAZARETH-Nummer. Auch anno 2014 werden wir wohl nicht mehr sonderlich glücklich mit den Nostalgie-Rockern, die uns in ihren Glanzzeiten doch so schön besingen konnten, wie sehr „Liebe schmerzt“ oder man sich seinen „Träumen“ stellen sollte. Nicht erst seit 2014 gilt wohl für NAZARETH „Kein Anschluss mehr unter dieser Nummer“!

Dabei fängt das „Rock‘N‘Roll Telephone“ so herrlich laut zu klingeln an, wenn mit „Boom Bang Bang“ ein krachiger Rocksong das Album eröffnet und „One Set Of Bones“ ebenfalls die Knochen mit knochentrockenem Power-Rock ordentlich durchschüttelt. McCafferty allerdings ist zwar noch halbwegs bei Stimme, aber nicht wirklich überragend. Man spürt regelrecht, dass irgendeine verdammt fiese Krankheit an ihm frisst. Zu oft klingt sein Gesang gepresst und etwas knarzig - irgendwo fehlt da die altbekannte Power früherer Jahre.

Bei „Back 2b4“ werden dann die elektrischen gegen akustische Gitarren ausgetauscht und ein MidTempo-Song schleppt sich mit leichtem Schunkel-Rhythmus über fünf Minuten einem mehr als gefälligem, aber nicht gefallendem Ende entgegen, denn gerade hier werden die McCaffertys Krankheit geschuldeten vokalen Defizite überdeutlich. Eigentlich beginnt der Hörer nun zu hoffen, dass dieses Abgesangsalbum am Ende nicht zu einer traurigen Abschiedsparty wird, die nur noch einen extrem faden, abgestandenen Beigeschmack hinterlässt. Denn auch das folgende „Winter Sunlight“ verstärkt diesen Eindruck eher als dass es ihn vertreibt.

Zum Glück folgen dann mit dem das Album seinen Namen verleihenden Song und „Punch A Hole In The Sky“ gleich zwei Songs, die Erinnerungen an Zeiten wecken, als NAZARETH noch eine wahre Instanz am musikalischen Rock-Horizont waren, auch ohne vor sich hin schmachtende Balladen.

In „Long Long Time“ wird sogar ein wenig mit Hip-Hop-Scratch-Elementen experimentiert und es kommen sage und schreibe Gefühle an ein LoveSymbol auf, das sich früher einmal PRINCE nannte, auch wenn sich hier beileibe kein „Purple Rain“ über uns ergießt.

Die verbleibenden „The Right Time“, eine laue Blues-Ballade, „Not Today“, ein härterer Rocksong ohne irgendwelche Höhepunkte oder einprägsame Melodien, „Speakeasy“, Melodic-Rock mit ein paar AC/DC-Anleihen, und „God Of The Mountain“, ein Stadion-Rock-Song allererster Güteklasse, schließen dann endgültig das Kapitel McCAFFERTY+NAZARETH ab. Zwar kein ruhmreiches, aber doch recht abwechslungsreiches Musik-Kapitel.

Übrigens kann man im sehr umfangreichen Booklet nicht nur alle Texte lesen, sondern auch zu jedem Song verschiedene Kommentare der Musiker dazu. Auch wenn sich beim Lesen der nicht unbedingt komplizierten Texte eigentlich jeglicher Kommentar erübrigt, wie beispielsweise zu „Boom Bang Bang“ - ein verdammt verficktes Liedchen - zu dem der erste Kommentar lautet: „Dieser Titel ist in der dritten Person geschrieben und es geht um Sex!“ Vielen Dank, da wäre man doch glatt nicht selber drauf gekommen - obwohl ich nach wie vor zum Glück noch immer in der ersten Person meinen Sex genieße.

So ganz war dies dann doch nicht das musikalische Ende von „Rock‘N‘Roll Telephone“. Denn in dem dicken Digi-Pack gibt es noch eine zweite CD, die ausschließlich Bonus-Titel enthält, wobei es sich noch um zwei Studio- und fünf Live-Aufnahmen handelt. Warum die beiden, wiederum recht rockig gehaltenen Studio-Titel nicht in das offizielle Album mit integriert wurden, bleibt wohl NAZARETHS Geheimnis. Vielleicht hatten sie keinen Bock mehr darauf, die zusätzlichen (belanglosen) Texte im Booklet unterzubringen und sich dazu auch noch ‘nen Kommentar aus den Fingern zu saugen, besonders wenn man laufend nur „Wanna Feel Good?“ singt.

Die Live-Mitschnitte erstrecken sich über acht Jahre von 2000 bis 2008 und bieten gewohnte NAZARETH Live-Kost, zwischen Power-Rock (Expect No Mercy), Blues (Kentucky Fried Blues) & Ballade (Sunshine) sowie göttlich-bluesiger Hitmucke mit ein paar experimentellen „Saiten“-Hieben (God Save The South) und am Ende sogar Reggae-Rhythmen auf „Big Boy“.

Das also war die Geschichte um ein musikalisches Telefonat am „Rock‘N‘Roll Telephone“, die hiermit zur Geschichte wird, weil nach 45 Jahren und 22 Alben DAN McCAFFERTY endgültig den Hörer in die Gabel hängt. Und da viele wohl gar nicht wissen, was das bedeutet, würde ich dies im modernen Vokabular mit: „Er klappt das Handy zu oder schaltet sein iPhone aus!“, übersetzen. Zeit zu gehen - vielleicht sogar höchste Zeit, denn irgendwie scheint auch für NAZARETH, trotz 30 Millionen verkaufter Alben und Auftritten rund um den Globus, die Zeit gekommen zu sein, um zu akzeptieren, dass nicht nur für Telefonzellen das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist.

FAZIT: Eine fleißige Band, die zwar nicht schlecht, aber längst überholt ist, aber trotzdem nach wie vor auf eine Kombination aus Rock, Blues & Balladen setzt. Vielleicht kann man damit noch ein paar alte Fans halten, neue wird man wohl nicht dazugewinnen.

Punkte: 8/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.06.2014

Tracklist

  1. CD (44:12):
  2. Boom Bang Bang
  3. One Set Of Bones
  4. Back 2B4
  5. Winter Sunlight
  6. Rock'N'Roll Telephone
  7. Punch A Hole In The Sky
  8. Long Long Time
  9. The Right Time
  10. Not Today
  11. Speakeasy
  12. God Of The Mountain
  13. Bonus-CD (32:33):
  14. Just A Ride
  15. Wanna Feel Good?
  16. Big Boy (Live in Somerset 2008)
  17. Kentucky Fried Blues (Live In Milton Keynes 2006)
  18. Sunshine (Live In Barrie, Ontario, 2000)
  19. Expect No Mercy (Live In Somerset 2008)
  20. God Save The South (Live In Barrie, Ontario, 2000)

Besetzung

  • Bass

    Pete Agnew

  • Gesang

    Don McCafferty

  • Gitarre

    Jimmy Murrison

  • Keys

    Lee Agnew

  • Schlagzeug

    Lee Agnew

Sonstiges

  • Label

    Salvo / Soulfood Music

  • Spieldauer

    76:45

  • Erscheinungsdatum

    06.06.2014

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