Dass die Uhren im Hause NEBELUNG ein wenig anders ticken, wird alleine schon daran deutlich, wie viel Zeit seit ihrem letzten Album "Vigil" verstrichen ist. Doch anders als viele Bands, die an einer Durststrecke von sechs Jahren elend zugrunde gehen, kehren die Deutschen generalüberholt und gestärkt aus der Pause zurück.
Aufgestockt haben NEBELUNG allerdings ausschließlich in Sachen Mitgliederstärke: Katharina Hoffmann am Cello erweitert das Duo Stefan Otto/Thomas List zum Trio. Auf alles andere trifft wohl am besten der Begriff "Entschlackung" zu. Auf Gesang verzichtet die Band anno 2014 ebenso wie auf jedweden Tempoanzug des Songmaterials. "Palingenesis" ist viel mehr der neofolkloristische Ansatz von Minimalismus, der in Zeiten der "höher, schneller, weiter"-Mentalität unserer Gesellschaft zur echten Mutprobe verkommt. NEBELUNG hätten versuchen können so viel mehr auszusagen, doch man muss ihnen dankbar sein, dass sie es nicht tun.
Das neue Album ist weder ein Chartbreaker, noch ein progressives Meisterstück geworden, doch NEBELUNG schaffen genau das, woran so viele andere trotz größter Kraftanstrengung scheitern. Mit einem Minimum an Instrumenten kreiert das Trio eine fragile und zauberhafte, aber niemals kitschige Natur-Atmosphäre, die ganz ohne Samples à la MOONSORROW funktioniert. Nichtsdestotrotz darf an dieser Stelle nicht unterschlagen werden, dass man sich als Hörer schon in einer bestimmten Stimmung befinden muss, um den besonderen Charme von "Palingenesis" erkennen und schätzen zu können. Andernfalls kann ich es denjenigen Menschen nicht verübeln, wenn sie Langweile bekundend schnell das Weite suchen. Für Einige könnten NEBELUNG in Zeiten von Dauerstress und Burnout ein Medium erschaffen haben, das genug Raum für eine Reise in die eigene Fantasie und den eigenen Kopf bereit hält. Genauso interessant ist es, dass die Musik trotz ihrer Simplizität paradoxerweise ein gewisses Maß an Konzentration voraus setzt. Bezogen auf die Entwicklung der Menschheit könnte das als Diagnose einer veränderten Psyche infolge einer veränderten Gesellschaftsform gedeutet werden, die zum Teil schon heute krankhaft ausfallen. Vielleicht ist das aber auch alles nur metaphysisches Blabla und "Palingenesis" ist einfach nur ein wunderschönes Stück Kunst.
FAZIT: NEBELUNG präsentieren sich auf dem ersten Album seit sechs Jahren in neuem, entschlackten Gewand, womit sie durchaus zu gefallen wissen. "Palingenesis" ist ein musikalisch schlankes, aber atmosphärisch dichtes Album geworden, das zur selten genutzten, aber bitter nötigen Erfahrung einlädt, Zeit mit sich selbst zu verbringen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.02.2014
Classical Guitar, Steel-String Acoustic Guitar, Piano Accordion, Indian Harmonium, Hammered Dulcimer, Glass Harp - Stefan Otto; Steel-String Acoustic Guitar, Classical Guitar, Field Recordings - Thomas List; Cello - Katharina Hoffmann
Temple Of Torturous
51:00
18.02.2014