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Reviews

Neverdream: The Circle

Stil: Progressive Rock/Metal

Cover: Neverdream: The Circle

Obwohl „The Circle“ bereits das vierte Album NEVERDREAMs seit 2006 ist, sind die Italiener über Geheimtipp-Status kaum hinausgekommen. Was sehr bedauerlich ist, denn nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich besitzt jedes der – zudem via Band-Homepage <a href="http://www.neverdream.info/downloadalbums.html" rel="nofollow">HIER</a> bequem und kostenlos herunterzuladenden Alben – seine Meriten.

NEVERDREAM bewegen sich von Beginn an auf einem ganz eigenen Pfad zwischen Prog-Metal und –Rock, der vielfältige andere Einflüsse zulässt. Ein besonderes Kennzeichen ist das klug und einprägsam eingesetzte Saxophon-Spiel Fabrizio Dottoris. Gemeinsamkeiten mit Marek Arnold und seiner Mitwirkung in diversen Bands sind zufällig, zeigen aber eine ähnliche (willkommene) Denk- und Spielart.

Inhaltlich präsentierten sich NEVERDREAM auf den ersten drei Alben als eine Art Chronisten des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts; widmeten sich auf „Chemical Faith“ gekonnt Christiane F. und den Kindern vom Bahnhof Zoo, nahmen sich beeindruckend und wenig plakativ der nuklearen Katastrophe von Tschernobyl an („Souls 26 April 1986“) und stellten mit „Said“ den zerrissenen Kontinent Afrika mit seinen Krisenherden, Kindersoldaten und Bürgerkriegen in den Mittelpunkt. Und bewiesen einmal mehr, dass Progressive Rock nicht nur zur Weltflucht taugt, sondern auch kritischen Kommentaren zum Zeitgeschehen eine passende musikalische Begleitung bieten kann. Die Eigenproduktionen waren von Beginn an ziemlich professionell, kleine Schwächen waren schnell verziehen, und wuchsen von Album zu Album.

„The Circle“ weicht ein wenig vom Pfad der Schilderung gesellschaftlicher Großkampfstätten und einer destruktiven Politik ab. Aber nicht allzu weit. Erzählt wird ein düsterer Thriller, der von den Schattenseiten religiöser Infiltration und der unheilvollen Entwicklungsgeschichte eines Serienkillers handelt. Nachtschwarz und eindrücklich kann man die Geschichte auch im begleitenden Roman (verfasst gemeinsam mit der Autorin Maria Teresa Valle, und ebenfalls auf englisch oder italienisch, frei zum Download) nachlesen.

Besonders die zweite CD, mit nur drei Stücken, ist ein Meisterwerk komplexen, deftigen Progs. Bernard Herrmanns Psycho-Thema wird paraphrasiert und auf eigenständige Weise weiterentwickelt, jazzige Passagen, alptraumhafte Melancholie und metallische Vorstöße werden gekonnt verbunden, ohne in wild wuchernde Kakophonien auszubrechen. Besetzungsmäßig – wie auf der ersten CD schon – können NEVERDREAM nicht nur mit weiblicher Unterstützung (von kraftvollem Alt bis Operntauglich) aufwarten, sondern haben auch den eindrücklichen Andy Kuntz (VANDEN PLAS) als Gastsänger im Schlepptau. Zudem hat sich Giorgio Massimi seit dem Debüt um einiges gesteigert.

Der Einstieg – wo auch immer – in den „Circle“ ist beim „Intro“ von satter Härte, das Tempo wird mit dem anschließenden „Requiem“ gedrosselt, ohne das Wucht und Energie verloren gehen. Die Keyboards toben, die Gitarre schneidet sich ihren Weg frei durch eine misshandelte Psyche und wenn sich beim abschließenden Instrumental alle Schleusen öffnen, zwischen lupenreinem Jazz und deftigem Rock, schließt sich „The Circle“ und findet seine Vollendung in einem befreienden Akt. Fragt sich bloß für wen?

FAZIT: „The Circle“ ist der bisherige Höhepunkt in NEVERDREAMs Discographie. Ein wütendes, kunstvolles und dunkles Stück Musik, dass facettenreich zwischen diversen Musikstilen pendeln kann ohne die eigene Identität zu verlieren. Zum vergleich bieten sich VANDEN PLAS an, nicht nur wegen des ausgeliehenen Sängers sowie TOXIC SMILE und SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR die beide nicht nur Marek Arnold am Saxophon, sondern im Falle der ‚sieben Schritte zur grünen Tür‘ ein ähnlich komplexes Storyboard bei „The? Book“ aufzuweisen haben. Wobei NEVERDREAM ihren Metal-Einfluss nicht ganz so pflegen wie VANDEN PLAS und die „The Circle“-Geschichte wesentlich handfester zur Sache geht als die kritische Bibel-Exegese „The? Book“.

NEVERDREAM sind, obwohl sie mit bekannten Versatzstücken hervorragend umgehen können, etwas ganz Eigenes und gerade die Fokussierung auf Gesellschaftspolitik und individuelle psychische Deformationen hebt die Band weit über musikalisch ähnlich gewandte Projekte empor. Ein kleines Manko ist der Drumsound; Gabriele Palmieris starkes und stützendes Spiel hätte einen Touch mehr Prägnanz und Klarheit verdient. Ist aber nicht essenziell und mindert die exzellente Gesamtnote nicht.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.03.2014

Tracklist

  1. CD 1:
  2. Intro
  3. Requiem
  4. A Life Beyond
  5. Godless
  6. Vesta
  7. Hell's Flower
  8. Mary Jane
  9. The Face Of Fear
  10. Hypnosis
  11. CD2:
  12. Di Lei La Morte
  13. The Actor Of Blood
  14. Killer Machine

Besetzung

  • Bass

    Andrea Terzulli

  • Gesang

    Giorgio Massimi, Andy Kuntz, Alessandra Filippi, Daniele Coccia

  • Gitarre

    Giuseppe Marinelli

  • Keys

    Mauro Neri

  • Schlagzeug

    Gabriele Palmieri

  • Sonstiges

    Fabrizio Dottori

Sonstiges

  • Label

    Eigenproduktion

  • Spieldauer

    CD1: 57:08/CD2: 30:55

  • Erscheinungsdatum

    14.02.2014

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