Wenn man die Musik von OCEANS 5 hört, stellt sich einem sofort die Frage: „Geht so was?“ Und genau bei dieser Frage werden sich die Gemüter nicht nur scheiden, sondern auch streiten, bis auf's Messer, da bin ich mir fast sicher – denn diese Musik-Seefahrer unter Leitung eines englischen Kapitäns haben eine gänzlich neue Schublade musikalischer Kategorisierung erfunden. Nennen wir sie einfach mal: Shanty Prog! Oder doch besser Seemannslieder, die nach der zu intensiven Einnahme gewisser Getränke beim gleichzeitigen Dauerhören von JETHRO TULL & PINK FLOYD entstanden und am Ende wie die durch den Weichspüler gejagten STRAWBS klingen.
Doch bevor wir genauer zur Musik der Prog-Seeleute kommen, muss noch eine Warnung vorausgeschickt werden. Warum auch immer – aber es gibt eine „andere“ Band, welche den gleichen Namen trägt und sich aus Hamburger sowie Liverpooler Musikern zusammensetzt und die gerne auch mal den Ballermann mit ihren Rock-Covern bespaßen. Von dieser Band ist hier definitiv nicht die Rede, sondern von ANDY JOHN BRADFORD'S OCEANS 5!
Ein etwa 200 Jahre alter Kult-Shanty, den garantiert nicht nur jeder Seemann kennt, dient als die konzeptionelle Basis von „Return To Mingulay“. Natürlich dreht es sich darin um das leidvoll-lustige Thema des Suffs: „What Shall We Do With The Drunken Sailor?“ - das sind auch die eröffnenden Gesänge auf OCEANS 5 Debüt-Album, die tatsächlich so klingen, als hätte ein IAN ANDERSON sie eingesungen. Doch dann brechen Gewitter und Sturm los, während im Hintergrund Klänge einer GILMOUR-Gitarre durch die Boxen flattern, bis dann echte Seemannslieder-Schunkel-Akrobatik betrieben wird, die das Musik-Boot durch neoprogressive, fast schmalzig zu nennende Gewässer manövriert.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt beginne ich darüber nachzudenken, ob ich schon mal irgendwelche Pog-Geister beim Schunkeln erwischt habe. Erinnern zumindest könnte ich mich nicht – aber bei „Return To Mingulay“ ist jede Menge Schunkeln angesagt. Ist das nun Kitsch oder Kunst? Gleiches gilt auch für das Cover-Artwork, das passend die Musik illustriert. Wer das mag, wird gut bedient. Wem diese düsteren oder mystisch verspielten oder schaurig-gruseligen Coverbildchen samt der Musik dahinter mehr mag, der wird mit dem Album dieser landesübergreifenden Schiffsbesatzung nicht viel anfangen können. Trotzdem ist ein Blick auf die Musik-Seefahrer sehr interessant:
Kapitän ist der englische Gitarrist, Sänger und Songwriter ANDY JOHN BRADFORD.
Die von ihm gewählte Besatzung setzt sich aus COLIN TENCH, englischer Gitarrist und Mitglied von ODIN, BUNCHAKEZE und dem COLIN TENCH PROJEKT -
STEF FLAMING, belgischer Bassist und Mitglied der Prog-Band MURKY RED -
MARCO CHIAPPINI, italienischer Keyboarder von GANDALF'S PROJECT -
und VICTOR TASSONE, amerikanischer Schlagzeuger und Gründungsmitglied der Prog-Rock-Band UNIFIED PAST, zusammen.
Den interessantesten Moment des Albums aber setzt der Song „6000 Friends“, der neben der schrecklich schmalzigen Melodie auch Ähnlichkeiten zu PINK FLOYDs „Great Gig In The Sky“ aufweist. Aus diesem Grunde suchte Bradford nach einer besonderen Sängerin und wurde erfolgreich in LORELEI (Lustige Parallele!) McBROOM fündig, die tatsächlich schon bei Auftritten von PINK FLOYD mitwirkte und auch THE AUSTRALIAN PINK FLOYD ihre Stimme lieh. Fast schon kurios, dass gerade der Einsatz einer Gastsängerin zugleich den Höhepunkt von „Return To Mingulay“ darstellt.
Mittelpunkt des Albumkonzepts ist die Insel Mingulay, um die sich Bradfords Musik dreht, welche oft nur langweilig, wie auf stiller See, vor sich herschippert – raue Wellengänge sucht man anfangs vergebens, auch wenn sich die CD zum Ende hin noch etwas steigert und deutlich mehr Fahrt in Richtung PINK FOYD aufnimmt, wofür besonders die virtuose Gitarrenkunst von COLIN TENCH verantwortlich ist. Besonders schön zu bewundern in den floydigen Ausflügen auf „Sails Off The Bay“.
Oftmals bekommt die CD auch einen hymnischen, fast kitschigen Charakter verpasst, der wiederum schwer mit den Shanty-Rhythmen zu vereinbaren ist. Eine seltsame Mischung wird uns hier geboten, die einen eher an die Verschmutzung der Weltmeere mit Kunststofftüten erinnert, als an die abenteuerlichen Schiffsreisen einer „Ghost“, auf welcher JACK LONDONs Seewolf sein Unwesen treibt.
Der Hörer kann noch so viel guten Willen beweisen, wie er will, aber „Return To Mingulay“ ist weder seemannsliedhafter Fisch noch progressivrockiges Fleisch – sondern nur ein recht simpel gestricktes Musikkleidchen, das man sich mal kurz überwirft, um es sich, weil es viel zu flauschig, bieder und unauffällig ist, schnell wieder abzustreifen. Oder um beim Konzept des Albums zu bleiben: Absolut kein großer Fang, selbst wenn die Köder noch so klangvolle Namen haben!
FAZIT: Am Ende ist dieses Album der klingende Beweis dafür, dass Seemanslieder und progressive Rockmusik nicht wirklich zusammen passen. Der Versuch war's wohl wert, aber man kann ihn getrost als gescheitert betrachten – getreu dem Motto: Schuster bleib bei deinen Leisten – oder Proggie bleib beim Prog!
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.01.2014
Stef Flaming
Andy John Bradford
Colin Tench, Andy John Bradford
Marco Chiappini
Victor Tassone
Lorelei McBroom (Gesang auf "6000 Friends"), Andres Guazzelli (Piano & Orchestration)
Melodic Revolution Records / Just For Kicks
52:50
24.01.2014