Ehrlich gesagt: Nach dem „Genuss“ des Intros, das vor allen Dingen aus Körperwinden und aufploppenden Bierflaschen besteht, sowie der Aussicht auf das folgende Stück mit Namen „Prolligkeit ist keine Schande“ war die Motivation auf „H.E.L.D.“ eher überschaubar. Doch – Überraschung: Das sechste Studioalbum von SODOM-Frontmann Tom Angelripper unter dem Banner ONKEL TOM ist eine durchaus gelungene Angelegenheit.
Was vor allen Dingen darauf zurückzuführen ist, dass die Anzahl der ebenso plumpen wie tumben Sauflieder auf ein erträgliches Maß zurückgefahren wurde – und die der Coverversionen sogar auf null. „Ein bisschen Alkohol“, „Wer nach dem Lied noch stehen kann“, „Im Suff“ – das sind im Wesentlichen die Lieder, die fernab den guten Geschmacks und des Niveaus niedere Instinkte ansprechen. Darüber hinaus geht es auf „H.E.L.D.“ deutlich subtiler, vielschichtiger, teilweise auch erstaunlich melancholisch und tiefgründig zur Sache. Im musikalischen Grenzgebiet zwischen Heavy Metal, Punk und Deutschrock gibt es einen bunten Strauß schöner Melodien – etliche Hits inklusive. Das schleppende „Am Morgen danach“, die (rein musikalisch gesprochen, aber glücklicherweise aber gänzlich ohne triefendes Pathos) BÖHSE-ONKELZ-lastigen „Zu wahr um schön zu sein“, „Vom Paradies gen Süden“ (der Überhit des Albums) und das intensiv-düstere „Der Duft von Lavendel“ oder das augenzwinkernde „Der Onkel kommt zum Hausbesuch“ – Angelripper und seine Band, in der neuerdings Klaus Nicodem statt Alex Kraft an der Gitarre werkelt, wissen ihre Stärken heutzutage wesentlich vielfältiger und selbstbewusster einzusetzen als in der Vergangenheit. Eine Ballade wie „Ich bin noch am Leben“, in der sich Angelripper fast schon autobiografisch zu Wort meldet, wäre von wenigen Jahren noch undenkbar gewesen.
FAZIT: Wer ONKEL TOM bislang nur aufgrund Gerstensaft- und Schnaps-Huldigungen mochte, der wird an „H.E.L.D.“ vielleicht ein wenig zu knabbern haben. Wer aber bislang eher von den platten Trinkhymnen gelangweilt war, der sollte sich schleunigst diesen abwechslungsreichen Mix aus Metal, Punk und Rock besorgen. Und wem die BÖHSEN ONKELZ textlich immer zu pathetisch und selbstverliebt waren und FREI.WILD zu deutschtümelnd, der findet bei ONKEL TOM ebenfalls ein neues Zuhause, das textlich ohne die ansonsten häufig anzutreffenden Stereotypen auskommt.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.10.2014
Marc Beste
Tom Angelripper
Klaus Nicodem
Cornelius Rambadt
Steamhammer/SPV
45:44
19.09.2014