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Periphery: Clear (EP)

Stil: Progressive Metal

Cover: Periphery: Clear (EP)

Unter den sieben Todsünden machen sich PERIPHERY am ehesten der Völlerei schuldig. Man hat jedenfalls nicht schlecht staunen können, als die Djent-Vorreiter 2012 mal eben den überzüchteten 69-Minüter „This Time It’s Personal“ veröffentlichten und dann ebenfrech erklärten, das sei ja nur die Vorhut für das eigentlich viel wichtigere „Juggernaut“-Konzeptalbum, das noch im gleichen Jahr erscheinen solle. Die Realität des Tourlebens machte den kühnen Veröffentlichungsplänen letztlich einen Strich durch die Rechnung; „Juggernaut“ erscheint nun voraussichtlich Ende 2014, aber der der Wasserhahn Icarus’scher Rasierklingenspazierfahrten möchte nicht versiegen. Die peripher angesammelten Kondenströpfchen reichen nun schon wieder für eine großzügige 7-Track-EP namens „Clear“, passend zum Titel ohne Coverartwork ausgeliefert.

Wir, die Rezipienten, dürfen folglich keine Erwartungen haben, sind in Gedanken frei oder sollten es zumindest sein. So will es das nicht vorhandene Labeling. Wären wir es nicht, könnten wir uns darüber mokieren, dass „Perriferräh“ ihren ursprünglichen Pfad weiter gen überproduzierten Alternative Metal verlassen, eine Richtung, die schon bei „This Time It’s Personal“ nicht jedem geschmeckt hat.

Ganz ohne Kopf kann das Sextett natürlich trotzdem nicht. „Clear“ ist nämlich nicht einfach Jam, sondern auch Experiment. Eine Ouvertüre gibt das Leitthema vor, so wie ein Professor seinen Studenten einen Knochen hinwirft, den es mit Fleisch zu füllen gilt. Dies geschieht in den folgenden sechs Stücken; vom Drummer bis zum Sänger bekommt jedes Bandmitglied die Songwriter-Credits für einen Song und darf die anderen nach Herzenslust einsetzen in dem Wissen, dass man bei den anderen Songs selbst zur Hilfe eilen muss, wenn der Kollege ruft.

Performativ ist „Clear“ also wieder eine gute alte Kopfgeburt, motivisch hingegen ein nach Einfachheit strebender Befreiungsschlag. Die Ouvertüre wird durch ein dramatisch beginnendes Pianosolo eröffnet, das sich durch bratzendes Gitarrenriffing verschärft, sich dann aber mit der Zirkusvirtuosität von DREAM THEATER und HAKEN heimlich in den Himmel klimpert.

Klare Vorgaben für die Herrschaften. Jake Bowen eröffnet naheliegend mit dem „Summer Jam“ und hat dabei offenbar stringenten Alternative Rock mit Sommer-Sonne-Heiterkeit-Aussage im Fokus, der PERIPHERY-typisch jedoch mit hochfrequenten Wechselschlägen und Palm Muting verkompliziert wird. Drummer Matt Halpern ist mit der stilistischen Marschrichtung offenbar einverstanden und liefert mit „Feed The Ground“ über weite Strecken eine chorale Vierviertel-Angelegenheit, die Spencer Sotelo allerdings auch mal in die Growls und den Gitarristen an die siebte Saite zwingt.
Zu den vertrackteren Herrschaften gehört offenbar Misha Mansoor, dessen gesangfreies „Zero“ am ehesten den jazzig angehauchten Instrumental-Kollegen wie CHIMP SPANNER, ANIMALS AS LEADERS oder EXIVIOUS gleicht, wobei deren Platten nie so gitarrendominiert und so saftig produziert waren.
„The Parade Of Ashes“ geht auf das Konto von Spencer Sotelo, dessen Stimme auf dem zweiten Langspieler zu einer der positivsten Überraschungen gehört hatte. Unter ihm werden PERIPHERY zur Groove-Maschine. Trance- und Drum-Samples, später gar eine Sirene zu ähnlich harten Passagen wie „Feed The Ground“ sie zu bieten hatte, dann noch ein Gitarrensolo hinterher – er möchte mit am meisten in seine Komposition packen.
Adam Getgoods Beitrag ist der kürzeste und widersprüchlichste. Als Bassist kämpft er im nunmehr schon zweiten gesangsfreien Stück gegen den dicken Tuschestrich an, der dem Kurzspieler sein Klangbild verleiht. So fungiert „Extraneous“ eher als Interludium für Mark Holcombs zu Recht ans Ende gesetzte Pathosbombe, die man sich am besten dem Sonnenuntergang zugewandt anhört, mit orangeroten Wangen und einem dämlichen Ausdruck des Mit-Sich-Selbst-im-Reinen-Seins im Gesicht.

In der Tat bewegt sich keiner der Beiträge allzu weit vom Originalmotiv weg und doch spürt man die Heterogenität, die von den unterschiedlichen Songwritern ausgeht, überdeutlich. Damit kristallisieren sich auch die Szenekontakte der Musiker im Einzelnen besser heraus. Die leicht penetrant wirkende Produktion verbindet die Songs noch am ehesten miteinander.

FAZIT: „Clear“ ist eine Bestandsaufnahme der modernen Progmetal-Szene, eine unkomprimierte Ansammlung von Fragmenten, die im Umgang mit Kollegen gesammelt wurden und die als Gesamtes derzeit für eine Verjüngung des Erbes stehen, das DREAM THEATER, MESHUGGAH & Co. hinterlassen haben. Die musikalische Gehalt, um die Marke PERIPHERY bedeutsamer zu machen, ist vergleichsweise gering und ohnehin erst wieder für „Juggernaut“ zu erwarten; dafür lässt sich an „Clear“ der momentane Status Quo wunderbar ablesen. Und der lautet: Jung, übermütig, manchmal zu modeorientiert, aber auch ziemlich virtuos und voller kleiner Einfälle.

Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.01.2014

Tracklist

  1. Overture
  2. The SUmmer Jam
  3. Feed The Ground
  4. Zero
  5. The Parade Of Ashes
  6. Extraneous
  7. Pale Aura

Besetzung

  • Bass

    Adam "Nolly" Getgood

  • Gesang

    Spencer Sotelo

  • Gitarre

    Misha Mansoor, Jake Bowen, Mark Holcomb

  • Schlagzeug

    Matt Halpem

Sonstiges

  • Label

    Century Media

  • Spieldauer

    29:51

  • Erscheinungsdatum

    24.01.2014

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