Auch mit ihrer dritten Veröffentlichung werden PYRRHON keine virtuosen Schönlinge, die mit ihren Fähigkeiten protzen, sondern erweisen sich weiterhin als Protagonisten der Hässlichkeit, des Urwuchses und der Extreme, letzteres im wahrsten Wortsinn bar abgedroschener Genre-Konventionen.
Dieses Fest des technischen Death Metal, gepaart mit Noise und kratziger Avantgarde gerade in Anbetracht der Songstrukturen (Beispiele: das zähfließende "White Flag" und der Lavastrudel "Eternity In A Breath") steht gänzlich im Zeichen früher Relapse-Veröffentlichungen oder dem Katalog von Willowtrip. So ähnlich wie ULCERATE oder auch die neuen GORGUTS arbeiten PYRRHON mit Dissonanzen und Methoden der Psychoakustik - ob bewusst oder nicht - die manches auf "The Mother Of All Virtues" anklingen lassen, was vielleicht faktisch überhaupt nicht da ist, wobei nicht nur die Passagen, in welchen kein Ton mehr dazwischen zu passen scheint, an den Nerven zehren.
Dass Colin Marston (DYSRHYTHMIA, KRALLICE und BEHOLD ... THE ARCTOPUS, um nur einige Betätigungsfelder zu erwähnen) die Scheibe gemastert hat, ist stimmig und deutlich zu hören, denn nur wenige haben Verständnis für einen natürlichen Sound, wenn es um "frickelige" Brutalo-Mucke geht. Ein solcher hebt die Musik der Brooklyner letztlich auch über den Krachmaten-Schwachmaten-Wust des Gros der Szene hinweg, was sich teilweise aber auch auf Frontmann Doug zurückführen lässt, dessen Organ tatsächlich über Charisma verfügt. Nicht zuletzt "Sleeper Agent" wird dank seiner Stimme zum intensiven Trip vom Format von SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM.
Hat man sich an die krasse Klangkulisse gewöhnt (die übrigens nicht zwangsweise immer nur hektisch anmutet, im Gegenteil sogar höchst selten), gewinnt das Album insbesondere zum Ende hin: die strukturierte Lärmwand "Invisible Injury" sowie die elf Minuten des Titelstück gehören zum Krankesten (ohne Aufgesetztheit) und zugleich Substanziellsten, was verzerrte Gitarrenmusik momentan zu bieten hat.
FAZIT: Die Québec-Schule des Death Metal tönt im Vergleich zu PYRRHON fast handzahm. Konservative und zarte Gemüter holen sich bei "The Mother Of Virtues" blutige Ohren, Wagemutige freuen sich zwei sechste Finger und schwingen die außerweltliche Luftgitarre. Schön ist das Ganze nicht, ja praktisch unhörbar im Auge des Spießers, aber genau den sollte Metal, wenn man das hier noch so nennen möchte, eben auch zutiefst verstören, nicht wahr?
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.03.2014
Erik Malave
Doug Moore
Dylan DiLella
Alex Cohen
Relapse
54:37
28.03.2014