Classic Rock – jaja, schon klar. Zahllose Musiker wurden mit LED-ZEPPELIN-Riffs statt Muttermilch gesäugt, im Kindergartenalter konnte man schon „Iron Man“ nachspielen, und im Kinderzimmer lief natürlich immer KISS statt Biene Maja. Selbst wer heute gerade einmal 23 Jahre jung ist und somit frei von Verdacht, in den 70er-Jahren aufgewachsen zu sein, wird manchmal nicht müde, solche beeindruckenden Biografien in Interviews von sich zu geben. Nicht wenige, die diesem boomenden Stil bereits genervt den Rücken kehren, weil einfach viel zu viel – Hauptsache analog – in den bald gesättigten Markt geblasen wird.
Insofern war die Vorfreude auf das RADIO-HAZE-Labeldebüt „Momentum“ – nach zwei EPs und zwei Alben in Eigenregie – von überschaubarer Dimension. Doch – Überraschung eins: Die Band klingt durch und durch amerikanisch, kommt aber aus – Niederbayern. Überraschung zwei: Der oftmals aufgesetzt wirkende „authentische“ Analog-Sound bekommt hier die rote Karte gezeigt. „Momentum“ klingt nicht angestaubt oder gar von gestern, sondern differenziert, transparent und zeitgemäß. Hier hat man nicht das Gefühl, dass jede Sekunde ein (natürlich per Drag-And-Drop kopiertes) LP-Knistern für noch mehr 70er-Jahre-Stimmung sorgen soll. Überraschung drei: Die Songs klingen so leichtfüßig, so beschwingt, dass die Füße einfach nicht stillhalten können.
Lange Rede, kurzer Sinn: RADIO HAZE schaffen es tatsächlich, den Spirit der 70er-Jahre, die Vibes von LED ZEPPELIN (jaja, schon klar), DEEP PURPLE oder auch JIMI HENDRIX in das Hier und Jetzt zu transportieren. Natürlich lässt sich nicht leugnen, dass auch aktuelle Bands wie WOLFMOTHER oder SCORPION CHILD ihre Spuren bei RADIO HAZE hinterlassen haben, doch diese unbeschwerte Note, diese tänzelnde Leichtigkeit, die findet man nicht häufig an anderer Stelle. Sänger Philipp Janoske klingt zudem – wie bereits erwähnt – zu keiner Sekunde typisch deutsch, sondern erinnert eher in Stimme und Ausdruck an Ex-ANNIHILATOR-Sänger Aaron Randall (was macht der eigentlich heutzutage?) und setzt dem schmissigen Classic Rock die Krone auf.
FAZIT: Damals war damals, RADIO HAZE sind heute. Fernab ausgelutschter Pfade und krampfhafter 60ies/70ies-Soundorientierung zeigt das Trio, wie man klassischen Hardrock ins 21. Jahrhundert transportiert, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.05.2014
Robert Hofmann
Philipp Janoske, Robert Hofmann, Michael Hofmann
Philipp Janoske
Michael Hofmann
Magic Mango/Membran
41:08
02.05.2014