Zurück

Reviews

Robert Reed: Sanctuary

Stil: Instrumentaler Prog-Rock zurück zu genau den Oldfield-Wurzeln, die der eigentliche Meister längst ausgerissen hat!

Cover: Robert Reed: Sanctuary

Manchmal sollte man eine CD-Besprechung mit (s)einem Coming Out beginnen!
Hier kommt also meins!
Nachdem ich mir voller Entsetzen nach mehreren Hördurchgängen des Albums „Man On The Rocks“ bewusst machen musste, dass MIKE OLDFIELD höchstens noch mit sehr viel Hochprozentigem „On The Rocks“ halbwegs musikerträglich war und ich als verpeilter Nostalgiker und großer Oldfield-Beleidiger in unserem Gästebuch knallhart von Hardcore-Fans abgestraft wurde, begann ich zu beten:
„Lieber Gott, mache, dass olle Oldfield auf seiner Insel unter dem Einfluss von viel zu vielen Tequilas völlig versackt, meinetwegen auch untergeht, aber zukünftig seine Gitarre an den Nagel hängt und uns nicht unter dem heiligen Namen Oldfield weitere laue Pop-Alben präsentiert!!!
Lieber Gott, schenke uns einen Musiker, der auch heute noch genau das bringt, was olle Oldfield vor 40 Jahren als begnadeter Komponist und Multiinstrumentalist hinbekam, als er mit jeder Menge Instrumenten, die er alle selbst einspielte, meine Musikwelt mit lautem Tubular-Bells-Geläut um ein neues Universum bereicherte!“
Und Gott erhörte mein Gebet und schickte mir ROBERT REED und sein „Heiligtum“!
Doch ich agnostischer Arschvogel glaube gar nicht an Gott - so viel also zu meinem Coming Out - aber definitiv glaube ich ab sofort an ROBERT REED!

<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/e8wWGAy5W4c" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>

Der Kopf hinter solch beeindruckender Band wie MAGENTA, die Neo-Prog mit Oldfield-Tendenzen schon seit 1999 gekonnt darbieten, oder hinter dem weniger beeindruckenden, extrem schmalzigen, nichtsdestotrotz umso erfolgreicheren KOMPENDIUM hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, die frühe Musik eines MIKE OLDFIELD von „Tubular Bells“ bis „Incantations“ wieder auf den Musiksockel zu heben und gleichzeitig Oldfield von diesem zu stoßen.

Um sein Vorhaben zu realisieren, setzt er eine nicht nur außergewöhnliche, sondern extrem einfallsreiche und anstrengende Idee um: Im Laufe mehrerer Jahre besorgt er sich alle Instrumente, die auch MIKE OLDFIELD 1973 für „Tubular Bells“ verwendete, erlernt jedes einzelne selbst zu spielen und komponiert daraufhin ein kunstvolles Musikstück, das er in zwei Teilen darbietet - genauso wie Oldfield 1973. Nur nennt er es natürlich nicht „Tubular-Bells-Ommadawn-Hergest-Ridge-Incantations“, sondern „Heiligtum“!
„Sanctuary“ - könnte es einen besseren Namen für solche Musik geben?

Aber damit alles perfekt zusammenpasst, geht ROBERT REED noch einen Schritt weiter, der uns unumwunden wissen lässt, dass dieses Album eine Umsetzung der testamentarischen Hinterlassenschaft des 70er-Jahre-Oldfields ist. Er nimmt Kontakt zu den „Tubular Bells“-Produzenten TOM NEWMAN und dem Audio-Master-Chef SIMON HEYWORTH auf, die dann „Sanctuary“ unter ihrem Einfluss auch klanglich zu dem werden lassen, was „Tubular Bells“ 1973 war - eine Rundum-Meisterwerk, zu dem Newman bemerkt: „Ich habe die Arbeit an diesem Album genossen ... und es entstanden am Ende wahre musikalische Klanglandschaften!“
Gibt es eine höhere Adelung für einen Musiker wie ROBERT REED aus dem Munde DES Produzenten, der bereits bei Virgin „Tubular Bells“, „Hergest Ridge“, „Ommadawn“, „Amarok“ und und und produziert hat?
Die Antwort darauf gibt eindeutig „Sanctuary“!

Doch auch das reichte dem Perfektionismus-Anspruch von ROBERT REED noch immer nicht, so dass man mitunter glaubt, hinter ihm stünde der junge Oldfield mit dem Pseudonym Reed. Eine zweite CD/DVD entsteht, diesmal ein High-Resolution-Remaster in allen dolby-digitalen Formaten (dts + 5.1 + 24/96 Stereo-Mix) sowie drei fantastischen Promo-Videos, bei denen natürlich auch Oldfields Promos offensichtlich Pate standen. Ein unbeschreibliches Klangerlebnis zusätzlich für alle, die eine gute Dolby-Anlage haben.

Am Ende gibt‘s dann natürlich auch noch für die Nostalgiker unter uns dieses traumhafte Klangerlebnis als LP, liebevoll in schwarze kleine Rillen gepresst, auf die man nicht greifen darf, weil man sonst fettfingrige Abdrücke hinterlässt, während man ganz zärtlich mit einem antistatischen Lappen oder der schon fortschrittlicheren Bürste zum Säubern darüber fährt.

Und plötzlich tritt zumindest bei mir ein Fakt ein, den ich so nie für möglich gehalten hätte. Ich hole nicht etwa die alten Oldfield-Alben wieder aus meinen Platten- oder CD-Schrank, sondern höre überwältigt „Sanctuary“.
Immer und immer wieder!

<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/Pj31WnCyF1c" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>

FAZIT: Alle, die „Man On The Rocks“ von Mr. Island-Oldfield mögen, dürfen sich gerne zurücklehnen und weiter in ihrem „Moonlight Shadow“ verzweifelt sonnige Momente suchen und diesen verquasten Käse hören, bis er ihnen aus den radioformatigen Ohren wieder herauskommt.
Alle Anderen aber, die sich nach dem alten Oldfield der Ära zwischen „Tubular Bells“ bis hin zu „Incantations“ sehnen, die sollten schnellstens ihren Blick- und Hörwinkel ändern und die wahre Offenbarung namens „Sanctuary“ hören.
Ab sofort ist ROBERT REED Gott und MIKE OLDFIELD nur noch ein Götze, welcher noch nicht mal mehr als Messdiener taugt.
Wenn „Tubular Bells“ das Alte Testament instrumentalen Prog-Rocks war, dann ist „Sanctuary“ das Neue Testament!

PS: Meine Hundedame Iffi blieb immer, wenn ich die frühere Musik von MIKE OLDFIELD hörte, neben mir auf dem Sofa liegen. Bei „Man On The Rocks“ verschwand sie ganz schnell. Seit „Sanctuary“ liegt sie wieder entspannt neben mir - ein weiterer Beweis ... und über meine Katze will ich erst gar nicht schreiben.

Punkte: 15/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.09.2014

Tracklist

  1. CD:
  2. Sanctuary - Part 1
  3. Sanctuary - Part 2
  4. DVD:
  5. Sanctuary (24/96 5.1 Surround Mix)
  6. Sanctuary (DTS 5.1 Surround Mix)
  7. Sanctuary (24/96 Stereo Mix)
  8. 3 Promo-Videos

Besetzung

  • Bass

    Robert Reed

  • Gitarre

    Robert Reed

  • Keys

    Rob Reed

  • Schlagzeug

    Rob Reed

  • Sonstiges

    Rob(ert) Reed (komplett): Grand Piano, Electric Guitars, Acoustic Guitar, Nylon Guitar, 12 String Guitar, Bass Guitar, Mandolin, Glockenspiel, Vibraphone, Marimba, Timpani, Gran Cassa, Recorders, Solina String Ensemble, Roland SH-2000, Farfisa Organ, Sleigh Bells, Orchestral Snare Drum, Table, Bodhran, Tubular Bells

Sonstiges

  • Label

    Tigermoth Productions / Just For Kicks

  • Spieldauer

    38:56 / 130:00

  • Erscheinungsdatum

    29.08.2014

© Musikreviews.de