Mit dem starken "Carolus Rex", der anschließenden Monstertour, Support-Gigs für IRON MAIDEN und dem gut über die Bühne gebrachten Austausch von 4/6 der Mannschaft haben SABATON ihren Anspruch auf den Power Metal-Thron weiter untermauern können. Auch dieses Review hätte zu einem Stück im Erfolgsmosaik werden können, wenn "Heroes" nicht durch fragwürdige Entscheidungen den Bandkritikern mächtig Aufwind gäben.
Denn eigentlich hätten Problematiken wie die "Ballermanisierung" oder der Umgang SABATONS mit Kriegsthematiken auf dem nunmehr 7. Album nun wirklich keine Rolle mehr spielen dürfen, dazu müsste sich mittlerweile jeder positioniert haben. Sicher tat auch die Entscheidung, auf "Carolus Rex" eine für Nicht-Schweden unbekannte Thematik aufzugreifen, ihr Übriges dazu, dass die Texte bei den Fans etwas leichter über die Lippen kamen. Aber alleine schon beim Titel "Heroes" fällt es in diesem Zusammenhang schwer, SABATON als neutrale Kriegsbeobachter zu bezeichnen. Es ist bezeichnend, dass es die Band selbst ist, die die Kritik ungewollt auf den Punkt bringt.
'The Ballad Of Bull' ist tatsächlich eine Halbballade, die nicht nur unerträglich kitschig ist, sondern auch mit seinem Text irritiert. "Sometimes war is killing/Sometimes it's saving lives/It's the judgement of fate/It's nothing that men can dictate" heißt es da zu Beginn der Geschichte über den ohne Zweifel außergewöhnlich mutigen Corporal Leslie "Bull" Allen. Natürlich haben SABATON recht, im Krieg wie im alltäglichen Leben übernimmt das Schicksal eine große Rolle und ja, manchmal retten Menschen andere Menschen. Dabei vergisst die Band aber zum Ausdruck zu bringen, dass Krieg eine menschgemachte Ausnahmesituation ist. Eingebettet in diesen Kontext, bekommen die Texte gerade in Zeiten, in denen ein Krieg in Europa nicht mehr auszuschließen ist, einen faden Beigeschmack. Natürlich gehen SABATON auf Nummer sicher und haben ihre Helden so ausgewählt, dass sie allesamt im Krieg gegen den Faschismus gedient haben, doch setzt man im Kopf die Russen als neue Feinde ein, dann könnten solche Geschichten tatsächlich dazu führen, dass die Hemmschwelle für einen neuerlichen Krieg auf ein gefährliches Maß absinkt. Ich gehe nicht davon aus, dass das die Intention der Band ist, doch es fällt einfacher die durchaus interessante Geschichte von Kriegen als besondere soziale Situation nachzuvollziehen, wenn Kollegen wie HAIL OF BULLETS sie mit einer ausreichenden Distanz erzählen. Erst dann wird es möglich sich mit allen Seiten auseinander zu setzen, Kontexte zu verstehen und (am wichtigsten) zu begreifen, dass wir gerade aufgrund der Erfahrungen der beiden Weltkriege in der Lage sind, Krieg durch diplomatische Bemühungen zu vermeiden und nicht mehr vorschnell als das notwendige Übel zu akzeptieren. Denn Krieg kann nur Leben schützen, weil er sie vorher in eine noch größere Gefahr gebracht hat. Und das hat dann nicht mehr viel mit Schicksal zu tun.
Besonders befremdlich ist es auch, wenn der Midtempostampfer 'Inmate 4859' mit seinem Kinderlied-Charakter inkl. Spieluhr-Intro und "Who knows his name?"-Reim reichlich verharmlosend klingt und im Refrain auf einmal mit dem Namen des KZ Auschwitz spielt. Natürlich ist die Verwendung der Thematik und des Wortes keine neue Idee im Metal, aber es ist schon reichlich merkwürdig sich vorzustellen, dass bei einem Festival 60.000 Fans in biergeschwängerter Luft lauthals "Auschwitz" singen. Wie gesagt, es ist beileibe kein neues Problem, Kriegsthemen mit poppigen Singalongs zu vermitteln, doch bislang hatte ich immer den Eindruck, dass SABATON sich den Themen mit einer gewissen Subtilität und Distanz genähert hätten.
Wen das alles kalt lässt, der soll an dieser Stelle auch noch was zur Musik erfahren. Dass SABATON immer noch nach SABATON klingen, dürfte wenig überraschend sein. Einzig die Keyboard-Passagen wurden etwas zurückgeschraubt, da die Band immer noch keinen neuen Tastenmann verpflichten konnte. Peter Tägtgren hat ebenso wenig überraschend wieder einmal einen klasse Sound gezimmert, für einen Gastauftritt hat es dieses Mal aber nicht gereicht. 'Night Witches' ist ein bandtypischer Uptempo-Rocker, der vor allem mit seinem eingängigen Refrain überzeugt. Ähnlich sieht es mit 'No Bullets Fly' aus, der allerdings etwas langsamer zu Werke geht und den Gangshouts im Refrain nach auch 'Killing Machine' hätte heißen können. Auf die 08/15-"WOHO"-Mitsing-Passage in der Bridge hätte man aber auch gut und gerne verzichten können. 'To Hell And Back' ist mit seiner lockeren Pagan-Atmosphäre und der elektronisch-gepfiffenen Melodie ein richtiger Ohrwurm und dürfte sich gut in die Setlist einweben lassen. Die zweite Single 'Resist And Bite' beinhaltet ein IRON MAIDEN-Tapping-Intro und eine Stop-and-Go-Strophe, fällt gegenüber den zahlreichen Bandhits aber deutlich ab. Die restlichen Songs erleiden ein ähnliches Schicksal: Alle sind mit genügend Trademarks angereichert, sind leicht zu verdauen und verfügen über gute Refrains, aber über die Marke "solide" kommen sie nicht hinaus. Zusammen mit der Tatsache, dass 'Heroes' gerade einmal 37 Minuten lang ist, lässt sich die Vermutung anstellen, dass das Album fast gänzlich auf Tour geschrieben wurde. Hätten die Schweden ihren strengen Marketingplan durchbrochen und noch ein Jahr mit einem neuen Album gewartet, wäre vielleicht mehr Zählbares rausgekommen. Und vielleicht hätte man noch einmal über die zweifelhafte Ausrichtung nachgedacht und sich davon verabschiedet.
FAZIT: SABATON haben mit "Heroes" nüchtern betrachtet eine durchwachsene Scheibe geschrieben. Die Songs verfügen zwar weiterhin über reichlich Mitsingparts und guten bis starken Refrains, aber nur wenige Songs werden es mit den Bandklassikern aufnehmen können. Neben den durchschnittlichen Songs zum Schluss, schleichen sich aber zwei Songs auf die Platte, die für reichlich Gesprächsstoff sorgen werden. Die Halbballade 'The Ballad Of Bull' wird nicht nur musikalisch, sondern auch mit ihrem Text irritieren, gegen 'Inmate 4859' und seinen "Auschwitz-Refrain" dürften sich sogar einige Kritiker offensiv zur Wehr setzen. SABATON verabschieden sich schon mit dem Titel "Heroes" von jeglicher Distanz zu einer Kriegspartei und begeben sich so abermals in eine Debatte der Kriegsverharmlosung bzw. -verherrlichung, die sie eigentlich schon hinter sich gelassen haben.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.05.2014
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