Ein Trio, bestehend aus Keyboarder, Drummer und Sänger – da gab es doch mal was? Verkehrt vermutet, Richtung EMERSON, LAKE & PALMER tendiert auf „one two zero“ gar nichts, zudem der Sänger keinen Bass spielt. Dessen Figuren – wie gitarrenähnliche Klänge – werden allesamt von Hendrik Schaper an den Keyboards simuliert. Das macht er ganz ordentlich und recht abwechslungsreich. Sollte man von jemand, der jahrelang die Tasten bei PASSPORT drückte und mit UDO LINDENBERG unterwegs war, auch erwarten können. Ebenso, dass Bertram Engel (GEBRÜDER ENGEL, dito LINDENBERG, PETER MAFFAY) an den Drums überzeugendes Schlagwerk leistet.
Lediglich der schottische Sänger Eddie McGrogan war/ist ein ziemlich unbeschriebenes Blatt. Er stört nicht groß - außer bei „Rays Under Water“, bei dem seine Stimme auf’s Fürchterlichste elektronisch verfremdet wird und den armen Hörer permanent zum Räuspern auffordert -, gibt den Songs mit seiner blassen, wenig nachdrücklichen und einprägsamen Stimme aber auch keinen besonderen Kick („One Or Zero“ macht er allerdings ziemlich gut. Vielleicht wird er zu häufig von den Keyboards und der gesamten, typischen Achtziger-Jahre-klingt-wie in-der-Spielhalle-Produktion in seiner Entfaltung eingeschränkt).
Dabei ist die Musik auf „one or zero – the lost album“ zeitweilig gar nicht übel, hat aber ein Problem: Ursprünglich 1981 aufgenommen und zur Veröffentlichung vorgesehen, ist das Album ein typisches Kind seiner Zeit. Wir befinden uns im Umbruch, musikalisch heißt das, es lassen sich noch Spurenelemente von Krautrock finden, doch die Neue Deutsche Welle wirft ihre Schatten voraus. Und nicht nur die. Soundtechnisch wird es artifizieller, bewegt sich vom “warmen” analogen Klang zum kälteren digitalen und hängt irgendwo in Drastic Plastic fest. Bands wie BE BOP DELUXE, DEVO, selbst die BUGGLES haben das zum Thema gemacht und gute bis hervorragende Alben geschaffen. So weit sind SCHAPER, ENGEL und McGROGAN nicht.
Da gibt es ein bisschen JONA LEWIE-Rock („Better Go Back To School“), es wird rüber zum KRAFTWERK geschielt (gar nicht übel: „Small Town Man‘ Romance“), wird gekonnt den „Ataraxia“-Zeiten, remember „Reng Ding Dong“, mit PASSPORT gefrönt („Space“), ansonsten quietschen, zirpen und plingen die Synthies, spielen Ping Pong, und die Drums klingen ziemlich pappig-aseptisch. Das Sounddesign vor etwas mehr als dreißig Jahren war schon etwas sehr Eigenes. Überzeugt beim fetzigen Opener „Joey“, geht bei „Rays Under Water“ ziemlich in die Hose (trotz starkem Instrumentalpart in der Mitte des Stücks) und bleibt insgesamt ein hörbares Zeitzeugnis. Die Musiker haben erkannt, wohin die Reise in den Achtzigern gehen wird, haben einen modischen Koffer dabei, in dem sie allerdings die Kleidung der vergangenen Saison verstaut haben. Zu komplex für kommende Simplizitäten, zu verhalten und vorsichtig, um Avantgarde zu sein. Hat seinen eigentümlichen Reiz, bleibt aber eine charmante Marginalie mit einigen Aussetzern.
Von den Peinlichkeiten diverser Ex- Krautrock-Größen in jener Zeit – WALLENSTEIN sagt: „Charline is on my mind“, wenn sie nicht gerade „Party Life“ von TRIUMVIRAT oder gar „Torero der Nacht“ von NOVALIS hört – sind SCHAPER, ENGEL und MCGROGAN glücklicherweise weit entfernt.
FAZIT: Welcome To the Plastic Age!
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.02.2014
Eddie McGrogan
Hendrik Schaper
Bertram Engel
Sireena Records
43:21
07.02.2014