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Various Artists: Wildstyle & Tattoo Music – The Ultimate Tattoo Sound Pt. 1

Stil: Rock, Metal, Electro

Cover: Various Artists: Wildstyle & Tattoo Music – The Ultimate Tattoo Sound Pt. 1

Jeder dritte Mensch in Deutschland ist tätowiert. So zitiert es Jochen Auer, Chef des Messe-Tourunternehmens „Wildstyle & Tattoo“. Wenn ich das auf unser Stockwerk hochrechne, muss das die nette Dame Anfang 60 von nebenan sein. Lustige Vorstellung …

Mit einem gewichtigen drei CD-Digipack kredenzt Auer nun also den ultimativen Soundtrack für alle, die es bunt und wild mögen. Ob sich dabei alle Zielgruppen an Tätowierten wie Bushido und Lena Meyer-Landrut angesprochen fühlen, darf bezweifelt werden: Jochen Auers Kompilation orientiert sich mit Metal, Rock und elektronischen Klängen vor allem an seinem eigenen Musikgeschmack und dem Gros der Messe-Mucke. Und natürlich soll hier vor allem Werbung für die „Wildstyle“-Messe gemacht werden, die im kommenden Jahr ihren 20. Geburtstag feiert. So tragen alle Songs der ersten beiden CDs eben den Titel „Wildstyle“. Was Jochen Auer als verrückte Wildstyle-Idee bezeichnet, würden andere vielleicht einfach gewagt nennen.

Der Österreicher, der als Veranstalter und Band-Caterer beste Kontakte zur Szene unterhält, kann mit einiger Prominenz aufwarten. DORO ist zu Beginn die einzige kleine Titelabweichung gestattet: „Wildstyle's Tattooed Angels“ ist ein perfekter Einstieg und legt, soviel sei verraten, die Messlatte für die folgenden Bands unerreichbar hoch. Für Fans mag der düstere, an schwarze METALLICA erinnernde Song Geschmackssache sein, aber das Hitpotenzial und die musikalische Klasse sind unbestreitbar. Die restliche erste CD-Hälfte ist ebenfalls gut durchhörbar und überrascht mit einem abwechslungsreichen Mix aus Hard Rock, groovigem Metal und Gute-Laune-Punk Rock (gelungen: THE UPPERCLASS BASTARDS). Auch Tracii Guns und seine LEAGUE OF GENTLEMEN fallen positiv mit schnoddrigem, von LED ZEPPELIN beeinflussten Rock auf.

Der Rest kommt trotz einiger bekannter Namen wie Marco Mendoza (BLACK STAR RIDERS) und Steve Foster Harris (L.A.GUNS) nicht über mauen Durchschnitt hinaus. Und spätestens, wenn die messeeigenen Art Directors DOMINO und TOM BLUE vor seichten Moll-Akkorden aus dem Keyboard dahinschmachten, fragt man sich schon, was daran nun genau „wildstyle“ sein soll. Zum Abschluss der ersten Scheibe gibt es noch zwei veritable Arschbomben, ausgerechnet von Landsleuten des Produzenten. ALKBOTTLE mögen in den 90ern eine österreichische Kult-Band gewesen sein. Mit einem Refrain wie „Wildstyle ist leider geil – Wildstyle macht Weiber geil“ plus TORFROCK für ganz, ganz Arme-Riffs entzieht man sich jeder respektvollen Betrachtung. M4 besingen im Anschluss immerhin ehrenwerterweise die Toleranz. Aber wie ein zweisilbiges Wort mit fünf Tönen gesungen wird, von denen vier bockschief sind, ist ein Hörerlebnis, das man sich lieber erspart.

Nun gut, Mund abputzen, es folgt die noch wildstylere, will sagen wilder gestylte CD. Die Interpreten versprechen auf den ersten Blick ehrliche Musik mit Dreck und Leidenschaft. Und dann leitet ROKKO RAMIREZ mit einem widerlichen Auto-Tune-Gefiepe die zweite Runde ein und lässt einen prompt wieder zur Tüte greifen. Was auch immer daran nun wieder wildstyle im existenziellen Sinne sein mag, für einen echten Motorrad-Rocker geht so ein Sound nur, wenn die Maschine deutlich lauter ist als die Anlage.

Mit GRAVE DIGGER, DESTRUCTION und den V8 WANKERS folgen da schon eher die passenden Gruppen, die aber nun allesamt das W-Wort überstrapazieren. Das nervt auf Dauer und macht die relativ gesehen unterdurchschnittlichen Songs noch langweiliger. Ab der Hälfte der Scheibe kommen immer mehr elektronische Elemente zum Einsatz. Auch hier gibt es keinen richtigen Ausrutscher, aber auch nichts Erwähnenswertes. Nur „wildstyle hier, wildstyle da, wildstyle, wildstyle tralalala“.

Nach Genuss der beiden Scheiben fühlt man sich indoktriniert wie nach einer Sektenveranstaltung, doch es ist ja noch eine CD übrig. Hier präsentiert Jochen Auer die Hits aus dem Live Programm der Messe. Außerdem durfte Tom Blue noch einige der Auftragskompositionen remixen. Letzteres ist wieder eine Sache, die nicht zu überzeugen weiß, aber auch niemandem weh tut. Wer auf Menümusik von zehn Jahre alten Sport-Computerspielen steht, wird sich hier wohl am ehesten die Finger lecken. Von den „normalen“ Stücken sind auf jeden Fall wieder DORO, MOTÖRHEAD und QUIET RIOT jeweils mit hübschen Coverversionen zu erwähnen. Fans der Künstler dürften sich diese Titel im digitalen Zeitalter aber schnell anderweitig beschaffen können.

FAZIT: Nichts gegen für sich selbst gemachte Geburtstagsgeschenke, aber dieses hier hätte Herr Auer für sich behalten können. Die guten Titel füllen nicht einmal eine EP und der Rest dieses Mammutwerks bewegt sich deutlich im einstelligen Punktebereich. Bei derart schwankender Qualität also keine Punktzahl, aber auch keine Kaufempfehlung. Es bleibt zu hoffen, dass ähnlich ideenreiche Unternehmer das Konzept mit ihren Werbeslogans nicht nachahmen („CARGLASS repariert, CARGLASS tauscht aus“?!).

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.05.2014

Tracklist

  1. CD 1
  2. Doro - Wildstyle's Tattooed Angels
  3. Blind Petition - Wildstyle
  4. Wildstyle All Stars - Wildstyle
  5. Black Mariah - Wildstyle
  6. The Upperclass Bastards - Wildstyle
  7. Scott Foster Harris - Wildstyle
  8. Tracii Guns' League Of Gentleman -Wildstyle
  9. Domino Blue - Wildstyle
  10. Alkbottle - Wildstyle
  11. Electric Sweat & Rob Holliday -Wildstyle
  12. M4 - Wildstyle
  13. CD 2
  14. Rokko Ramirez - Wildstyle
  15. Grave Digger - Wildstyle
  16. Destruction - Wildstyle
  17. Santos Ac - Wildstyle
  18. V8 Wankers - Wildstyle
  19. Zombie Boy Feat. Riggs - Wildstyle
  20. Riggs Feat. Zombie Boy - Wildstyle
  21. Zardonic - Wildstyle
  22. Eva Lumbre - Wildstyle
  23. Drumatical Theatre - Wildstyle
  24. Virgin Helena - Wildstyle
  25. CD 3
  26. Firehouse - Reach For The Sky
  27. Stiletto - Wildside
  28. Firehouse - When I Look Into Your Eyes
  29. Motörhead - Cat Scratch Fever
  30. Doro - Touch Too Much
  31. Quiet Riot - Cum On Feel The Noize
  32. Der W - Stirb In Schönheit - Tom Blue Remix
  33. Zardonic - Wildstyle - Tom Blue Remix
  34. Santos Ac - Wildstyle - Tom Blue Remix
  35. Grave Digger - Wildstyle - Tom Blue Remix
  36. Tom Blue Kamikaze - Wildstyle

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Flying Dolphin

  • Spieldauer

    132:19

  • Erscheinungsdatum

    04.04.2014

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