Scheiße oder Kunst? Es ist ein schmaler Grad, an dem WELLE: ERDBALL entlangmusizieren. Schlager mit NDW und EBM, das kann funktionieren, kann aber auch ordentlich in die Hose gehen. "Tanzmusik für Roboter", das neue Studioalbum, weist eine Handvoll Totalausfälle auf, von denen zwei dummerweise ziemlich weit am Anfang platziert sind: "Die Liebe der 3. Art" und "Ich mach mich schön", weiter hinten dann noch "Herschlag-Alarm". Alle drei Tracks haben gemeinsam, dass nicht Band-Kopf Honey den Gesang übernimmt, sondern die neue Sängerin Lady Lila. Gelingt es Honey noch, die Songs mit seiner Stimme vor dem Kitsch-Erstickungstod zu retten, schafft die Dame das nicht. Dafür ist ihre Stimme zu charakterlos.
Hinzu kommt, dass die drei Songs, die Lady Lila alleine singen darf, musikalisch und textlich eher schwach sind. "Die Liebe der 3. Art" ist reiner Schlager mit Kirmestechno-Untermalung, bei dem die ironischen Untertöne völlig untergehen, und "Ich mach mich schön" nervt gleich zu Anfang mit Pseudo-Hip Hop, im weiteren Verlauf mit Pseudo-Gesellschaftskritik. "Herzschlag-Alarm" entstand auf einem Uralt-Synthesizer, was dem Song einen gewissen Retro-Charme verleiht, ansonsten ist die Nummer aber völlig belanglos.
Das klingt jetzt wahrscheinlich, als sei das ganze Album ein Reinfall, was nicht der Fall ist. "Gib mir meine Zukunft wieder" und "Das Passwort" sind passabel, "Mimikry" und "Computersex" sind richtig gut. "Des Wahnsinns fette Beute" hätte eine gelungene DAF-Hommage werden können, hart stampfend und textlich mehrdeutig, wäre da nicht wieder die weibliche Stimme. Abgeschlossen wird das Album von zwei kleinen Highlights: einer abgedrehten "Uhrwerk Orange"-Version von "Die Gedanken sind frei" und dem vergleichsweise ruhigen Rausschmeißer "Die neue Weltordnung", der nicht ins Geschmacklose abgleitet, obwohl er dafür alle Zutaten hat. Ab und zu blitzt bei dieser Band dann doch ein wenig Genie durch.
FAZIT: WELLE: ERDBALL verstehen zu begeistern, allerdings nicht auf Albumlänge. Dann doch lieber DAF, die sind provokanter, oder HGICH.T, die sind bekloppter.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.02.2014
Honey, Lady Lila, Frl. Venus
Honey, A.L.F.
A.L.F., Honey
Synthetic Symphony / SPV
46:35
21.02.2014