Haben wir nicht viel zu oft in unserer schnelllebigen Zeit den großen Wunsch nach Entschleunigung?
Und lassen wir nicht genau diesen Wunsch immer wieder fallen, weil uns die Zeit, die wir so schön mit allem, nur nicht Ruhe, verplanen, keine Möglichkeit dazu lässt?
Hören wir Musik noch als eine Offenbarung, die unser Leben etwas besser machen könnte, oder wenigstens als ein Lebensgefühl, das uns etwas von dem zurückgibt, was wir Tag für Tag auf dem Altar unseres hektischen Strebens nach Perfektion oder auch nur Anpassung opfern?
Wer noch immer ein wenig auf der Suche nach den Momenten seiner Entschleunigung ist, der hat nunmehr die Möglichkeit, diese mit ASTRID NORA, ihrem Cello, vielen elektronischen Klangerzeugern und einer beeindruckenden Stimme, die sich zwischen AGNES OBEL und ANTONY HEGARTY bewegt, zu finden.
All das und ganz viel Traurigkeit und Melancholie sowie unendlich schöne, wohlklingende Ruhe gibt es auf „Shimmer“ von WHERE DID NORA GO zu entdecken!
Ein aus- und eindrucksvolles Album, das mit den fast pathetischen, es aber kaum besser zu beschreibenden Worten: „You have wandered endlessly / Searching for a safe place to fall“, endet.
Die dänische Musikerin ist offensichtlich ein Multitalent, welches nicht nur hervorragend komponieren und singen kann, sondern auch jede Menge Instrumente spielt und sich in ihre Band gleich noch zwei weitere Multiinstrumentalisten sowie einen Harfenisten und einen weiteren Cellisten holt. Das hat natürlich Folgen für den ungewöhnliche Klang von „Shimmer“, der basierend auf Celli und vielen Tasteninstrumenten geschickt zusätzliche Klangtupfer durch Klarinetten, Harfen, Zittern, Flöten und Glockenspiele setzt.
Nie wird „Shimmer“ langweilig, aber immer bewegt es sich in ruhig-verträumten, melancholisch bis traurigen Klangwelten, die herbstliche Grundstimmungen vermitteln, in denen man die bunte Farbvielfalt der Blätter genauso genießt wie die ersten unterkühlten Vorboten des Winters.
Ja: „I have wandered through the forests / I have gone through barren lands ... I sifted through the rivers ... Would you carry me through the waters / Would you carry me when I cannot see.“
Aber selbstverständlich würden wir Nora überallhin begleiten, nachdem sie uns dieses klangvolle „Shimmer“-Album geschenkt hat.
Schönheit, die sich nicht über die Augen, sondern die Ohren entfaltet - We can hear it!
FAZIT: Musik, die wie aus einer anderen Welt klingt, in der man sich noch voller Ruhe und Genuss auf die Suche nach den Schönheiten seiner Zeit begibt, aber auch manchmal voller Traurigkeit entdecken muss, dass uns vieles davon schon in unserem Bestreben nach Effektivität und Beschleunigung abhanden gekommen ist. Trotzdem schimmert es noch immer irgendwo durch. „Shimmer“ öffnet uns zumindest die musikalische Tür dazu.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.09.2014
Henrik Marstal
Astrid Nora
Astrid Nora, Henrik Marstal, Kasper Rasmussen, Morten Svenstrup
Kasper Rasmussen
Astrid Nora (Cello, Synths, Glockenspiel, Cello Percussions), Henrik Marstal (Marxophone, Cello, Ambitronics, Synths, E-Bow, Stimmgabel, Spielzeug-Piano), Kasper Rasmussen (Klarinette, E-Bow, Synths, Spieluhr, Glockenspiel), Lillian Törnovist (Harfe), Morten Svenstrup (Cello, Flöte)
G-Records / Rough Trade
44:39
05.09.2014