Auf ihrem selbst veröffentlichten Debut-Album turnt die Mannheimer Mehr-als-Rock-Band WHALERIDER fast schon aufreizend lässig durch das Hinterland allzu mainstreamiger Musik zwischen Alternative, Doom, Sludge und sogar Trip Hop. Die Übung am Rande des Chaos gerät gar nicht mal überraschender Weise zu einer durchweg bemerkenswerten, stellenweise bravourösen Darbietung, bei der die Band durchweg die Musik mit all ihren Möglichkeiten (und nicht sich selbst) feiert.
Doch der Reihe nach: bereits mit ihrer Demo-CD „Was It Only A Dream?“ und einigen Auftritten im Vorprogramm der britischen Schelme von Amplifier hatte das Quartett vor knapp drei Jahren angedeutet, dass es weder an Leidenschaft, noch an Ideenreichtum mangelt. Nun liegt mit „Thanatos“ das zehn Songs umfassende, erste „richtige“ Album vor, und das macht bereits mit seiner Gestaltung klar, dass WHALERIDER eigene Vorstellungen haben, wohin die Reise gehen soll. Zwar: nicht jedem mag die in Farbe und Form leicht kauzige Ästhetik gefallen, doch wird schon hier deutlich, dass die Jungs sich nicht irgendwo einreihen wollen nach dem Motto „klingt wie XY“, sondern ihre eigenen Ideen umsetzen.
Nach einem atmosphärischen Intro werfen WHALERIDER mit „What's In Your Head?“ nicht nur eine garstige Frage auf (My brain hurts...!), während sie sich locker zwischen Chill und Thrill einpendeln, sondern schütteln im Songverlauf einige große Riffs aus dem Ärmel. Das bereits vom Demo bekannte „Devil Got Me“ klingt heuer verspielter und kommt gleichzeitig direkter auf den Punkt. Daniel Schwarz hat am Schlagzeug in der Zwischenzeit offenbar enorm zugelegt, und die Verfeinerungen einiger Arrangements spiegeln die Freude der Musiker, auch einem „alten“ Song neue Facetten und Dramatik abzuringen. Da macht auch das Zuhören und Neu-Entdecken einfach Spaß. Zu den scheinbar am ehesten „Radio-freundlichen“ Liedern zählt „Feed My Affection“, das zunächst mit leichten Anklängen an Alice In Chains langsam und geschmackvoll aufgebaut wird, einen wunderbar eingängigen Refrain mit nuanciert schroffen Riffs kontrastiert, bevor es nach rund acht Minuten massiv attackierend verklingt. Wie ein Koloss wartet danach „Thanatos“ mit einer prächtigen Schwere zwischen Doom, Stoner und Sludge auf – ist das noch dieselbe Band, die da einen Song diesmal über neun Minuten entfaltet? Und wie ist sie bloß dahin gekommen? Wie auch immer – WHALERIDER haben es raus, sich hierhin und dorthin zu bewegen, ohne dass es irgendwie aufgesetzt oder angestrengt wirkt, im Gegenteil: das folgende Instrumental „I Am Tarantula“ weckt Erinnerungen an die besten („In Absentia“) Zeiten von Porcupine Tree, bevor der „Sleepy Hound“ eine melancholisch-träumerische Seite hervor kehrt. An Kontrasten mangelt es auch hier nicht, und der mehrstimmige harmonische Gesang wirkt bei diesem Song einfach passend. Ebenfalls vom Demo bekannt ist das sich nach einer Minute auf gewaltigen Riffs aufschwingende „Found A Lie“, bei dem Max Feibel am Gesang vielleicht so etwas begründet wie die „Mannheimer Schule“ - diese Mischung aus Lässigkeit, Melancholie und Grimm ist jedenfalls nicht alltäglich. Deutlich euphorischer und mitreißender groovt „Self-Destruction“ los, doch irgendwie findet sich der erstaunte Hörer nach einigen Minuten in psychedelischem Doom Rock wieder. Dass „Your Undying Memory“ zum Abschluss trippigen Chill Out offeriert, wird die einen erleichtern, die anderen nur noch mehr verstören.
Fazit: Was WHALERIDER auf „Thanatos“ anbieten, lässt sich schwerlich kategorisieren und bietet sich nur bedingt zum oberflächlichen Nebenbei-Mal-Reinhören an: Das ist Musik, die in ihrem Facettenreichtum entdeckt werden möchte, und die auf lange Zeit Freude bereiten kann. Als eine weitgehend eigens verantwortete Produktion verweist dieses Debut-Album mit seinem knackigen Sound einen Großteil herkömmlicher Label-Veröffentlichtungen auf die Plätze und begeistert mit einer Mischung aus jugendlicher Unbekümmertheit und ganz tollem Songwriting. Selbst für einen Abenteuer-freudigen Musikverlag wie Superball Music würden WHALERIDER eine Bereicherung darstellen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.12.2014
Max Feibel
Max Feibel (lead), Patrick Auch (backing)
Sahba Yadegar-Yousefi (lead), Patrick Auch (rhythm)
Daniel Schwarz
Eigenveröffentlichung
58:11
14.11.2014