Wenn deine Freunde anrufen und sagen, „hey, wir stehen mit `nem Sixpack vor deiner Tür, mach mal auf“ – sie sollten mit einem Saustall rechnen, denn vielleicht hast Du ja erst am Vorabend ein Sixpack geleert, vegetierst noch im eigenen Dunst und hast folglich keine Zeit gehabt, aufzuräumen. Das mag ganz anders aussehen, wenn sie sich melden, um für nächste Woche einen Weinabend vorzuschlagen. Da wäre genug Zeit, die Bierflaschen zu entsorgen, die Controller im Regal und die Tangas im Schrank zu verstauen. Die Bude sähe sicher tipptopp aus, gleichwohl sie immer noch von deinem sehr speziellen Stil geprägt wäre.
Unfassbar: (HED) P.E. haben von einem Album zum nächsten ausnahmsweise mal vier Jahre ins Land streichen lassen. Das passiert in der nun schon 20 Jahre währenden Geschichte der Crossover-Veteranen zum ersten Mal. „Truth Rising“ wiederum, das bis dato letzte Album, erschien nur ein Jahr nach seinem Vorgänger und war oben besagter Saustall, eine zufällige Ansammlung von Geistesblitzen in einer Salatschüssel gefüllt mit ansonsten redundanten Slang-Fetzen und Metal-Riffs.
Bei einer Truppe wie dieser muss ein Albumtitel wie „Evolution“ so klingen, als sei ihm das „R“ amputiert worden. In Verbindung mit der langen Reifezeit schürt es aber auch ein Versprechen. Vielleicht nicht das eines Weinabends, aber doch einer lässigen Kumpelrunde im gepflegten Ambiente. Und tatsächlich, auch wenn das Nebeneinander von Punk, Heavy Metal, Rap und Reggae erwartungsgemäß nicht geopfert wurde, so ist es doch merklich sortiert und vor allem um die überflüssigen In- und Outros erleichtert worden, in denen zusammenhangslos politische und sexistische Inhalte à la Telegrammstil untergebracht wurden.
Das macht sich bei der Tracklist in Form einer Entschlackung von 22 auf 12 Titeln bemerkbar. Jetzt kann man sich auch mal sicher sein, dass hinter jedem Titel (sieht man von „The Higher Crown“ ab, das nur aus Geräusch besteht) auch wirklich eine Komposition steckt. Ob die Zusammenstellung hingegen gefällt, ist wohl Geschmackssache: Viel Reggae zieht sich durch das Album, und schon nach dem achten Stück zieht sich der Metal komplett zurück, um dem Reggae das Regiment ganz zu überlassen, teilweise motivisch dominiert von einem Akkordeon, das gleich noch ein wenig Chanson in den Jamaika-Rum mischt.
Die Riffs in den acht Titeln zuvor sind betont simpel in der Schnittmenge zwischen Punk und Midtempo-Thrash gehalten, altbackene Allgemeinplätzchen eben, so wie man das von den Platten nach „Blackout“ kennt. Jared Gomez und seine Mitstreiter fokussieren sich aber nicht mehr voll auf eine Stilrichtung pro Songfragment, sondern mischen durchgängig ihre weltmusikalischen Wurzeln unter. Schon im Opener verbinden sich Metal-Grooves, auffällige Vocal-Flows in den Strophen und karibische Trommeln als perkussive Unterstützung für das pumpende Schlagzeug. Die Akzente verschieben sich in weiteren Songs jeweils ein wenig, bei „Lost in Babylon“ grüßen mal wieder RAGE AGAINST THE MACHINE (aber viel gedämpfter als noch auf „Truth Rising“), auf „No Tomorrow“ wird alles etwas tiefergelegt (Gitarren UND Gesang) und auf „Let It Rain“ trifft ein Gospelchor (wie sonst sollte man die Zeile „Let It Rain“ auch besser inszenieren?) auf Gitarrenwerk, das inzwischen so langsam ist, dass Jahred in dreifacher Geschwindigkeit dazu rappen kann – wozu passt, dass „One More Body“ das Tempo im Anschluss wieder erhöht. „Never Alone“ ertönt dann nochmal vergleichsweise melodisch und abwechslungsreich. Es markiert das Ende des Metal-Kapitels und die Stabsübergabe an den Reggae, der so entspannt abschließt, dass man anschließend gleich eine Bob Marley einschmeißen möchte.
FAZIT: Zum 20-jährigen Bandjubiläum zeigen sich (HED) P.E. deutlich aufgeräumter als zuletzt. Überflüssiges wurde getilgt und Ideen mit Fokus in ein homogenes neuntes Studioalbum integriert, wobei dies zu Lasten des Überraschungseffekts geht. Das fällt besonders auf, weil die Riffs als solche schon in den 00er Jahren abgeschmackt geklungen hätten und nur funktionieren, wenn sie mit radikalen Stilmitteln aufgebrochen werden – zu denen glücklicherweise immer noch Gründungsmitglied Jared Gomes zählt, dessen Tausendsassa-Qualitäten am Mikrofon Gold wert sind, auch wenn sie in dynamischeren Songs noch besser in Szene gesetzt werden könnten.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.08.2014
Mawk
Jahred Gomez
Jaxon
Trauma
Plastic Head / Soulfood
52:29
25.07.2014