Vor ziemlich genau zwanzig Jahren begann die Planungsphase, 1996 veröffentlichten TEN mit dem kreierten Material gleich zwei Alben, von denen das zweite „The Name Of The Rose“ gleich einen Höhepunkt der Diskographie darstellt. Zahlreiche Besetzungswechsel später, bei Konstante Gary Hughes, ist „Albion“ die elfte Veröffentlichung der Band.
Scheinbar wichtigste Veränderung zum Vorgänger „Heresy And Creed“ sind Dan Mitchells Ausstieg und die Ergänzung, neben John Halliwell, um gleich zwei neue Gitarristen. Was aber nicht zu einer wilden Gitarrenschlacht führt. „Albion“ legt zwar an Härte ein paar (wenige) Takte zu, aber hochaggressiv, böse und finster brutal wird das Album natürlich nie. TEN sind und bleiben eine geschmeidige Band, die zwar mitunter hart rockt, aber meist auch progressiv verspielt und/oder höchst romantisch melodienselig daherkommt. Dabei gelingt das Kunststück, selbst Verächtern der glitschigen Melodic-(Hard)rock-Gefilde (wie mir), mit nur leichten Einbrüchen, über Jahre gewandter Begleiter zu sein.
Das liegt zum einen an Gary Hughes, der ein wirklich einnehmender und starker Sänger ist, zum andern an der ausgewogenen Mischung aus Gefühl, Artistik und wohldosierter Härte, die zwar elegant aber selten billig und schleimig ist. Und wenn TEN den Kitschteufel rauslassen, ist er so überdimensioniert, dass er auf perfide Weise wieder Freude bereitet (ein Blick auf’s Cover reicht eigentlich für diese Erkenntnis). Auf dem vorliegenden Album bekommt er in „Gioco D’Amoure“ seinen glitzernden LIBERACE-Auftritt. Hughes lässt es sich nicht nehmen, während des Songs ins italienische Opernfach zu wechseln (die Andrea Bocelli/Sarah Brightman-Boxer-Liga) und intoniert seinen Text mit einer Inbrunst, als wolle er beim Auftakt einer Casting-Show gleich das Finale vorwegnehmen. Haben er und die Band nicht nötig, aber als überbordende Kitsch-As-Kitsch-Can-Rakete geht das Ding in Ordnung. Nicht immer, aber oft.
Ein paar Mal wird sich zu sehr in Refrain- und anderen Wiederholungen ergangen („A Smuggler's Tale“), aber das war’s auch schon mit den Schwächen. Gleich der Opener ist ein voluminöses Prachtwerk, das mit gepflegter Härte startet, dann beinahe neoprogressiv weiterverläuft, um in einem durchweg spannenden Wechselbad der Gefühle zu verlaufen. Gary Hughes gibt Gas, und weil er’s kann, klingt das überzeugend unangestrengt. Von den erwähnten Ausnahmen abgesehen, hält das Album das Anfangs-Niveau, auch die erste ausgekoppelte Single „Die For Me“ überzeugt als Mitsing-Hymne, die sich nicht durch aufpolierte Schlichtheit anbiedert. Zwischendurch gibt es sogar ein bisschen Keltenpower, ganz dem Album- und Songtitel entsprechend („Albion Born“). Bewältigen TEN als hätten sie nie etwas anderes gespielt.
Ob drei Gitarristen (vier, wenn man Hughes mitzählt) unbedingt nötig waren zur Produktion des Albums, sei dahingestellt. Sie machen ihre Sache gut, aber Darrel Treece-Birch, der einzige Keyboarder, hat ebenso viel Gewicht und unterfüttert den Sound mit steter Präsenz. Geschmeidig halt, wie sich das gehört.
FAZIT: Obwohl ich (mit Kollegen Lothar Hausfeld) anscheinend zu einer Minderheit gehöre, denen „Heresy And Creed“ gefällt, gibt es auch für die Mehrheit ein Aufatmen. „Albion“ legt in allen Belangen zu. Schwermetall wird das zwar nie, aber der geschmackige, hochmelodische Hard Rock der Band – mit mehr als einem Bein im Prog und einem Fuß im Musical (wo genau der steckt schreib‘ ich nicht) – überzeugt als eleganter Ritt Over The Top fast durchgängig. Selbst Menschen, denen dieses Melodic-Rock-Zeug meist zu spackig ist.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.12.2014
Steve Mckenna
Gary Hughes
Dann Rosingana, Steve Grocott, John Halliwell, Gary Hughes
Darrel Treece-Birch
Max Yates
Darrel Treece-Birch (programming)
Rocktopia/Cargo Records
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24.11.2014