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1099: Young Pines

Stil: Post Rock

Cover: 1099: Young Pines

Wenn‘s darum gehen würde, den ersten Preis für den beschissensten Band-Namen zu gewinnen, die norwegischen Post-Rocker und Instrumental-Epiker (Achtung!!!) 1099 hätten die allergrößten Sieges-Chancen! Zum Glück aber kommen aus den Boxen, die des Musikliebhabers Welt bedeuten, ja keine Buchstaben oder Zahlen, sondern nur in Klänge verwandelte Noten heraus, und in diesem Falle sieht die Welt hinter dieser musikalischen Postleit-, Datums- oder Sonstwas-Zahl doch völlig anders aus.

Im Begleitzettel zur Promo von „Young Pines“ findet sich ein sehr interessanter Satz, der die eruptiven, aber niemals wirklich ausbrechenden Klangwelten von 1099 überzeugend beschreibt: „Zwei EPs wurden veröffentlicht, bevor ihr selbstbetiteltes Debüt-Album im Februar 2013 erschien und von der Kritik zärtlich gestreichelt wurde.“
Nein!
Es ist nicht die Kritik, die 1099 zärtlich streichelt, sondern die Musik der Norweger, die auf „Young Pines“ dem Postrock ein stellenweise neues Gesicht verleihen - nämlich ein zufrieden lächelndes, in sich entspanntes und ganz besonders natürliches, das nicht beängstigende Fratzen schneidet, sondern hypnotisch dir in die Augen blickt und dabei deine Ohren sieht und manchmal sogar zarte, romantische Akustik zu Gehör bringt!

Kleine instrumentale Klang-Epen zwischen 5 und 15 Minuten (Wobei „Palatine Light“, „Krystallfabrikken“ und das beste, finale Meisterstück „Hjorten“ die Über-10-Minuten-Marke knacken!), denen man beim Hören anspürt, wie sie sich immer mehr erheben wollen, so als würde man vorsichtig einen Bohrer an der Ohrmuschel ansetzen und langsam das Tempo erhöhen, ohne am Ende wirklich zu explodieren oder in wildem Krach auszuarten, der das Trommelfell fast zerstört! Genau hier liegt die Stärke des Post-Rocks dieser Trondheimer Band. Sie bietet uns die ganze Palette gefühlvoller Klangvariationen, ohne sich in brachialem, zügellosem Krach, sieht man mal vom Ende bei „Man The Harpoons“ ab, zu entladen, in dem man außer einer Sound-Masse nichts mehr wahrnimmt. Bei 1099 dürfen wir von Anfang bis Ende jedes einzelne Instrument genießen, genauso wie die vielen schönen, manchmal fast Ohr-Wurm-Melodien, wie z.B. in „Yeager“ oder „Astoria“, deren Stimmungsschwankungen immer wieder beachtlich sind. Auch ohne High-Speed funktioniert musikalische Abwechslung, wovon uns 1099 zwar kein Lied singen, dafür aber gleich acht Instrumentalstücke spielen. Ähnlich Beeindruckendes bekommt in Deutschland wohl nur eine Band wie LONG DISTANCE CALLING hin und wer die mag, der wird mit dieser norwegischen Alternative ebenfalls sein „ohrales“ Glück finden, denn das Herauszögern eines Post-Rock-Koitus ist eine große Kunst, welche 1099 wirklich beherrschen.

Mit „Palatine Light“ darf sich dann am Anfang der 10 Minuten sogar gegruselt werden, denn dieses Stück lebt von den Bässen und recht finsteren Stimmungslagen, denen aber akustische Gitarren immer wieder etwas Schwung und lichte Momente einhauchen. Ein schöner Gegensatz, der besonders zum Ende hin auch noch durch ein sehr atmosphärisch klingendes Saxofon von KARE KOLVE, der einigen bestimmt durch die bekannte Jazz-Band MEZZOFORTE ein Begriff ist, gesteigert wird, bis dann wieder die Gitarren übernehmen und dieses instrumentale Mini-Epos zu einem dynamischen Ende führen.

Aber auch die Herzen von Krautrock-Fans der Marke NEU!, CLUSTER, HARMONIA oder speziell MICHAEL ROTHER werden beim finalen Stück, dem 11 Minuten langen „Hjorten“, das mit atmosphärischen Future-Gitarren-Klängen der Rotherschen „Sterntaler“-Philosophie gespickt ist, höher schlagen. Wenn einem bis dahin das Album ganz gut gefiel, wird man nun absolut begeistert sein, denn solches Krautrock-Retro hätte sicher niemand mehr erwartet und schon gar nicht von Musikern aus Trondheim, wo wir Deutschen doch gerade die absolute Deutungshoheit dieser Musikrichtung für uns beanspruchen dürfen. Dummerweise machen wir leider kaum noch etwas daraus. Da müssen dann eben ein paar Norweger samt bandinternem Zahlen-Code ran!

FAZIT: Post-Rock mit krautigen Einlagen und jeder Menge ungewöhnlicher Instrumente, wie Saxofone, Flöten usw., der nur selten explodiert, sich dafür aber in einem wunderbar melodischem Fluss bewegt. Moderner Post-Rock eben, der nicht nach den kanadischen Vorbildern von GODSPPED YOU! BLACK EMPEROR, sondern viel mehr in die gute alte Krautrock-Ecke schielt. Und die vielen Musikfreunden garantiert längst lieb gewonnene skandinavische Atmosphäre gibt‘s bei diesem Quartett aus Trondheim gleich noch gratis mit dazu!

PS: Für die Sammler ausgefallener Vinyl-Schätzchen sollte man noch anmerken, dass es dieses Album auch als weiße Doppel-LP gibt. Eine Farbe, die wirklich ausgezeichnet zu “Young Pines” passt!

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.09.2015

Tracklist

  1. Memfis
  2. Yeager
  3. Astoria
  4. Palatine Light
  5. Man The Harpoons
  6. Krystallfabrikken
  7. The California Energy
  8. Hjorten

Besetzung

  • Bass

    Lars-Erik Berg

  • Gitarre

    Anders Kalland, Kristian Krokfoss

  • Keys

    Nikolai Sodahl

  • Schlagzeug

    Pal Leer

  • Sonstiges

    Kare Kolve (Sax & Flöte)

Sonstiges

  • Label

    Stickman Records / Soulfood / Noisolution

  • Spieldauer

    66:29

  • Erscheinungsdatum

    04.09.2015

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