Beginnen wir diese musikalisch ziemlich laute „Sirenen-Stille“ doch am besten mal mit einer Klarstellung oder Aufklärung - allerdings nicht über Bienchen und Blümchen oder den Klapperstorch, der dahergeklappert kommt, wenn nicht der Eimer, sondern der Gummi ein Loch hat:
A KEW‘S TAG ist erstens eine deutsche Band, die akustische Instrumente und progressive Rockmusik mag und zweitens einen tiefgründigen Sinn für philosophischen Humor hat, wenn‘s um den Bandnamen geht, der (positiv ausgedrückt) eigenartig oder doch schon (negativ ausgedrückt) recht blöd klingt, weil man sich beim Versuch des richtigen Aussprechens die Zunge verknotet oder völlig falsche Betonungen raushaut. Hinter diesem Namen jedenfalls, der sich ausschließlich als Kunstwort versteht, steckt nichts Anderes als ein „Chiffrierung“ für das Wort Akustik - und jetzt wissen wir endlich auch, wie wir ihn aussprechen müssen. Besagte Akustik spielt in der Musik von A KEW‘S TAG auch rundum die erste Geige, selbst wenn dieses Streichinstrument gar nicht darin auftaucht, dafür aber eine die wildesten Klangeruptionen erzeugende Akustik-Gitarre. Genau aus diesem Grunde hat das Quartett aus Hannover neben dem Bandnamen auch ihre eigene Musik-Kategorie „erfunden“, die als Schublade im großen Schrank namens Progressive Rock den Namen „Acoustic Progressive Rock“ belegt. Eine Kategorie, hinter der sich progressive Rockmusik verbirgt, deren Schwerpunkt in erster Linie auf akustischen Gitarren liegt, wobei allerdings auch der Gesang von JULIAN HELMS einen bedeutenden Stellenwert einnimmt, ohne natürlich dass Schlagzeug zu vernachlässigen oder gar die Glockenspiele zu vergessen, die bei „A Poisoned Mind“ und „Horizon‘s End“ auftauchen.
Ähnlich wirr, vielfältig, versponnen, farbenfroh und im- sowie expressionistisch im DALIschen Sinne wie es das Cover von „Silence Of The Sirens“ ist, klingt auch die Musik dahinter. Wer mehr auf naive Kunst mit klarer Aussage und ordentlicher Anordnung steht und dabei schnell in einer Bildergalerie an den Kunstwerken vorbeischreitet und nur das Offensichtliche wahrnimmt, der wird mit der Musik hinter dem Album-Cover von PIERRE SCHMIDT nichts anfangen können. Wer aber längere Zeit vor einem anfangs verwirrend erscheinenden Bild verweilen und nach spannenden, interessanten Details suchen kann, die ihn dann begeistern, dem wird die Musik von A KEW‘S TAG nach getaner Hörneugier kleine und größere Offenbarungen bescheren. Melancholie trifft hier nämlich auf Agonie und Aggression, aber auch Traumhaftes und Verspieltes oder Experimentelles wie zerbrechlich Anmutendes. Manchmal ufern die Songs dann leider doch etwas zu sehr aus und offenbaren die eine oder andere Abnutzungserscheinung, weil sie einen mehr verunsichern als wirklich packen, wie „My Cage“ oder „Statues Falling“.
Typisch progressiv ist auch die Laufzeit der episch gehaltenen Stücke, die sich zwischen 3 und 15 Minuten bewegt, wobei im Zentrum des Albums eindeutig das mit fast 16 Minuten ausufernde „Amentia“ steht, welches boleroartig beginnt, sich nach und nach steigert und am Ende nach wildem Trommelfeuer wieder mit ruhigen Tonfolgen ausklingt.
„Wilted Flowers Smile“ wartet dagegen als Ballade auf, die ständig von permanenten laut krachenden Einschüben durchbrochen wird, die genauso schnell wieder verschwunden sind, wie sie auftauchen, aber nur, um überraschend wieder loszudonnern, so als würde man unter der Dusche stehen und ständig das Wasser von eiskalt auf kochend heiß umschalten! Fast kurios mutet es dabei schon an, dass diese Brüche mitten in den Gesangspassagen auftreten, so als hätten wir es mit einem abwechslungsreichen Stimmen-Feuerwerk aus Flüstern und Schreien zu tun. Dieses Schema wird uns instrumental und vokal auch weiterhin bis zum Ende von „Silence Of The Sirens“ begleiten, sodass als ...
FAZIT folgende Erkenntnis zum Sirenen-Album von A KEW‘S TAG gewonnen werden kann:
Wer vorrangig seine Hoffnung auf das Wort „Silence“ des Album-Titels setzt, wird garantiert enttäuscht werden. Progressive Wirrköpfe aber, die permanente Laut-Leise-Überraschungen und ein experimentelles Ausloten unterschiedlicher Stimmungen lieben, dürfen während dieser knappen Musikstunde bestimmt immer wieder in Begeisterungsstürme ausbrechen!
PS: Laut Presseinfo wird noch darauf verwiesen, dass dieser „Progressive Rock mit Akustikgitarre von Texten, die teils melancholisch, teils lyrisch erzählend sind“, komplettiert wird. Schade, dass bei der Promo die Texte komplett fehlen, weswegen ich zu den Texten kein weiteres Wort verloren habe!
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.10.2015
Alexander Mayer
Julian Helms
Johannes Weik
Florian Weik
Magic Mile Music / SPV
58:18
02.10.2015