Das Augsburger Projekt AENEAS verschreibt sich einer ausgesprochen frischen Lesart von Progressive Rock in vielen seiner Facetten, begonnen beim poppig-schwelgerischen Klimpern von COLDPLAY bis hin zur kraftvollen, aber unterkühlten Epik des britischen Neo Prog, was mitunter an spätere GENESIS denken lässt.
Der symphonische wie kratzige (der verzerrte Gesang, sehr originell und exaltiert à la MUSE) Opener "Your Blood" stellt die Weichen fürs Weitere: AENEAS klingen zu keiner Sekunde bieder deutsch oder wie ein aseptisches Studioding, das nicht rocken kann - im Gegenteil. "So What" dient als prima Beispiel für den direkten Zug, den die Gruppe mitunter an den Tag legt, und mausert sich zu einem kleinen Hit irgendwo zwischen U2 (Vocals) und dezenten späten QUEEN (ökonomischer wie effektiver Bombast). Der Gesang stellt überhaupt eine der Stärken dieses Albums dar, wie man auch "Watch Me Now" anhört, das darum und wegen seines packendes Solos Gänsehaut verursacht.
Und dann ist da freilich der obligatorische Longtrack mit dem Namen, äh ... "A Long Way Home". Die Komposition besticht durch Keyboard-Arrangements vom Feinsten aus dem Orchestergraben (Tastenmann Bergert gehört im Auge behalten), aber wiederum auch durch die haarsträubenden Stimm-Eskapaden von Stefan Krause, der den zitternden Emo ebenso überzeugend verkörpert (zu Beginn) wie den aufbegehrenden Charakter (zwischendurch).
Das orchestrale Element bauen AENEAS insbesondere auch mit "Watch Me Now" aus, bei dem man sich einen versunkenen Pianisten/Sänger am Flügel vor Sinfonikern (und Electro-DJ ...) vorstellen kann. Der Song ist das Highlight von "New Renaissance", dessen Titel sozusagen wortwörtlich zu verstehen ist, denn die Band tut nichts weniger, als gutes Altes mit spannendem Neuen zu verbinden, ohne schrullig daherzukommen. Die Scheibe klingt schon jetzt zeitlos, und das ist eine starke Leistung.
FAZIT: Eines der stärksten Alben im Prog-Bereich im Laufenden Jahr und von einer deutschen Genre-Band in letzter Zeit. Kann man gleich mit der neuen SYLVAN eintüten.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.08.2015
Giuseppe Puzzo
Stefan Krause
Ben Eifert
Matthias Bergert
Maxx Hertweck
Eigenvertrieb
54:45
14.08.2015