Es sind die schönsten Momente, die ein Musik-Kritiker erleben kann, wenn er sich unter seinen Kopfhörern - fernab von der Welt da draußen - mit ARSTIDIR auf eine musikalische Reise nach Island begibt, die ihn für eine Dreiviertelstunde gefangen nimmt und genauso kristallklar und wunderschön klingt wie die isländischen Fjorde mit ihren Gletschern, Wasserfällen und glitzernden Seen.
Muss man vielleicht wirklich aus einem so kleinen Inselstaat kommen, um solche Musik zu machen, die außerhalb dieser Vulkaninseln ihresgleichen sucht?
Natürlich schrieben dort eine Band wie SIGUR RÓS und eine Musikerin wie BJÖRK bereits Musikgeschichte - aber spätestens nach diesem nunmehr dritten Album von ARSTIDIR sollte sich auch diese Band ein umfangreiches Kapitel in der Musik-Geschichte Islands verdient haben. Längst hat auch die Musikkritiker-Gilde erkannt, welch unglaubliches Potenzial sich hinter diesem isländischen Quartett, bei dem jeder Musiker über eine Stimme verfügt, die Steine erweichen oder Glas zerspringen lassen könnte, verbirgt. So trifft die Erkenntnis von „MTV Iggy“ völlig zu, wenn man dort feststellt: „ ARSTIDIR klingen in der Tat ähnlich wie andere isländische Bands: Sie klingen majestätisch und orchestral wie SIGUR RÓS und es gelingt ihnen, eine Atmosphäre von Intimität und Geheimnis zu schaffen.“
Genauso könnte auch das FAZIT zum neusten ARSTIDIR-Album „Hvel“ lauten!
Jedes Album der vier Isländer enthält immer wieder eine Überraschung für den Hörer bereit. Zwar wohnt ihnen diese Melancholie und Mystik genauso wie das tiefe Gefühl und die himmlische Natürlichkeit inne, aber musikalisch gibt es jedes Mal etwas Neues zu entdecken. Auf „Hvel“ tauchen erstmals regelrechte progressive Strukturen und sehr dunkle, fast etwas gothic-artige Momente auf. Kein Wunder also, dass die Isländer bereits gemeinsam mit PAIN OF SALVATION und ANNEKE VON GIERSBERGEN, ehemals THE GATHERING, auf der Bühne standen.
So beginnt die CD mit „Himinhvel“ (Himmlische Hemisphären) sehr düster mit an tiefe Männergesänge erinnernde, sakrale Keyboardflächen, die so klingen, als würden Mönche wie Gotteskrieger in die Schlacht gegen die Orks ziehen. Nur Sekunden später verkünden dann himmlischer, „echter“ Hemisphären-Gesang und eine akustische Gitarre die natürliche Schönheit auf „Hvel“. Diese Gegensätzlichkeiten von Beängstigendem und Beruhigendem, Bombastischem und Filigranem, finsteren Bass-Tiefen und sonnigen Sanges-Höhen bestimmen „Hvel“ von der ersten bis zur letzten Minute.
„Things You Said“ wird von Streichern getragen und gleich mit <a href=" https://www.youtube.com/watch?v=dP1-oMkumkU " rel="nofollow">einem großartigen Naturvideo</a> untermalt, während uns <a href=" https://www.youtube.com/watch?v=GTSRzy8geN0 " rel="nofollow">„Someone Who Cares“</a> wieder mit auf eine EAGELS-Reise nimmt, die eigentlich traurig beginnt, aber mit fast optimistischen Glücksgefühlen auf <a href=" https://www.youtube.com/watch?v=nm7t8wA60YY " rel="nofollow">„Moonlight“</a> endet, welche gleich in einer Kombination aus englischen und isländischen Texten verwirklicht wird. Vielleicht auch ein Beweis dafür, dass die fast schöner klingende Sprache nicht etwa die englische ist.
Im Laufe des gesamten Albums kann sich der Hörer dazu selbstverständlich seine eigene Meinung bilden, denn neben den englisch gesungenen Songs gibt es auch wieder vier in isländischer Sprache dargebotene Lieder zu hören, die insgesamt deutlich akustischer gehalten und nicht ganz so komplex arrangiert sind.
Mit <a href=" https://www.youtube.com/watch?v=JWsJ7iw5hHo " rel="nofollow">„Ro“</a> gibt‘s dann den für ARSTIDIR gewohnten Instrumentaltitel, der auf keinem ihrer Alben fehlen darf. Gitarre und Streicher samt einem Piano-Motiv, das man garantiert nicht wieder vergisst.
„You Again“ ist eine grandiose Piano-Ballade, die vom Gesang her tatsächlich Erinnerungen an ANTONY AND THE JOHNSONS weckt und sogar mit <a href=" https://www.youtube.com/watch?v=lrehHSIfjaQ " rel="nofollow">einem sehr kunstvollen Video</a> versehen wurde, welches eine ähnliche Aura versprüht wie die mystischen Antony-Werke!
Und zu guter letzt dürfen wir sogar nach einem Gitarren-Intro in KANSAS‘ „Dust In The Wind“-Sphären schweben, bis dann eine Violine völlig anders und sehr „unwindig und unstaubig“ klingt, dafür aber ein klassisches Piano das letzte Schiff in den musikalischen Hafen bringen darf: „A strange ship navigates the ebb and flow / Remembers mysteries that time had left alone.“
Geheimnisvolle Erinnerungen - hervorgerufen durch die Musik von ARSTIDIR!
Möge dieses Musik-Schiff bitte niemals untergehen!
FAZIT: Eigentlich ist es unfassbar, aber auch mit ihrem dritten Kunstwerk - „Hvel“ einfach nur als ein Album abzutun, wäre pure Untertreibung - setzen ARSTIDIR erneut Maßstäbe, die ihresgleichen suchen. Natürlich sucht man auch nach Schwächen oder zumindest Ansätzen, die bei einer Bewertung zu dem einen oder anderen Punktabzug führen. Doch auch der dritte isländische Musik-Streich dieses melancholischen Quartetts ist erneut ein Meisterwerk geworden, welches keine Wünsche offen lässt.
PS: Um sich die umfangreiche Wirkung der Musik auch mit Hilfe dieser Kritik erschließen zu können, wurden viele (rot hinterlegte) Songs mit den Aufnahmen aus den „Toppstödin Sessions“ verknüpft, sodass ein Klick genügt, um das zu sehen und zu hören, was der Kritiker in Worte zu kleiden versuchte.
Punkte: 15/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.03.2015
Gunnar Már Jakobsson, Andri Ólafsson
Daniel Audunsson, Gunnar Már Jakobsson, Karl James Pestka, Ragnar Ólafsson
Daniel Audunsson
Ragnar Ólafsson
Magnús Trygvason Eliassen
Karl James Pestka (Violinen und Programmierung), Hallgrimur Jónas Jensson (Cello), Viktor Orri Árnason (Violine und Viola)
Beste! Unterhaltung / Broken Silence
44:57
06.03.2015