BETWEEN THE BURIED AND ME sind zweifelsohne eine eigenständige Band. Die Konsequenz, mit der die Band auf Alben wie "Colors" gnadenlos Stile durcheinanderwürfelte, die normalerweise nichts gemeinsam haben und das Ganze in überlange Songs verpackte, ist sicherlich einzigartig. Das tritt auf "Coma Ecliptic" allerdings tatsächlich etwas in den Hintergrund – und damit hat sich die Band selbst einen Gefallen getan. Zumindest für den Verfasser dieser Zeilen wirkten die Genrewechsel mitten im Song, obwohl von der Band sicherlich strukturiert und durchdacht, immer etwas ziellos und nicht wirklich flüssig – allerdings stets spannend und gutklassig. Auf dem neuen Werk sieht die Sache dennoch etwas anders aus.
Natürlich agieren BTBAM auch weiterhin nicht völlig grade aus und oftmals wird auch noch mit großer Begeisterung und einer für das Genre ungewöhnlich lebendigen Spielfreude gefrickelt. Die angesprochenen Stilwechsel sind auch immer noch vorhanden, allerdings deutlich weniger extrem und dafür zielführender. Dadurch wirkt Coma Ecliptic sehr homogen. Die einzelnen Songs fließen quasi zu einer Masse zusammen und ergeben ein großes Ganzes. Dennoch wirken auch die einzelnen Stücke jedes für sich sehr wohldurchdacht und strukturiert, auch was die jeweilige Position im Albumkontext angeht.
Besonders hervorheben muss man die wirklich großartigen (Gesangs-)Melodien und –Harmonien, besonders in Songs wie "Famine Wolf" und "King Redeem – Queen Serene". Natürlich kommen weiterhin die härteren Passagen nicht zu kurz und auch aggressive Vocals haben nach wie vor ihren Platz, allerdings ist instrumental stets eine gewisse Melodik vorhanden, selbst wenn Sänger Tommy Rogers mal gen Gebrüll abdriftet. Fans der vorherigen Alben müssen sich aber natürlich dennoch nicht mit Grausen abwenden, denn obwohl alles kontrollierter wirkt als zuvor, lassen die Amerikaner ab und an noch ein bisschen den Wahnsinn von der Leine. Wenn sie in "Turn on the Darkness" spielend von viehischem Geballer in ein hochmelodisches Solo übergehen, das sich in einen ruhigen Teil mit wunderschöner Gesangsperformance entwickelt, nur um das Ganze dann quasi wieder rückgängig zu machen, bleibt man als Hörer einfach beeindruckt zurück. Gleiches gilt für den unvergleichlichen Beginn von "The Ectopic Stroll", den man sich so von keiner anderen Band vorstellen könnte.
Aber wie genau klingt "Coma Ecliptic" denn jetzt eigentlich? Auch wenn man versucht, sich der Idee zu erwehren, auf gewisse Art und Weise klingen BETWEEN THE BURIED AND ME an vielen Stellen wie die logische Weiterentwicklung der DREAM THEATER aus den 90ern hin zur Moderne, insbesondere wenn man an "Awake" und "Scenes from a Memory" denkt. Das schockiert nun hoffentlich niemanden zu sehr, aber die Einflüsse sind nicht von der Hand zu weisen, sei es in den Frickelpassagen von "The Ectopic Stroll" oder auch bei straighteren Songteilen mit Clean Vocals wie in "Turn on the Darkness" oder dem längsten Song des Albums "Memory Palace". Selbstverständlich bedient man sich in keiner Form explizit bei den ehemaligen New Yorker Musikstudenten, aber hin und wieder blitzen Melodieführungen und Instrumental-Abfahrten auf, bei denen man sich wünscht John Petrucci und Co. hätten sich genau so ins neue Jahrtausend transferiert und nicht so wie es letztlich geschehen ist. Interessant sind ebenfalls die Anklänge an die Prog-Rock-Helden der 70er, die in einigen sphärischen Instrumentalpassagen durchschimmern.
FAZIT: Man sollte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (beziehungsweise ja sogar davor) mit so etwas immer vorsichtig sein, aber es scheint als hätten BETWEEN THE BURIED AND ME hier ein Referenzwerk für die Zukunft des Progressive Metal (im weitesten Sinne) abgeliefert. Man hat gekonnt Einflüsse aus der Vergangenheit verarbeitet und sie zu einem eigenständigen und originellen Ganzen verwoben. Trotz der Länge ist das Album unglaublich kurzweilig und es gibt tatsächlich Passagen, die man schon nach dem ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Nichtsdestotrotz gibt es mit jedem weiteren Durchgang Neues zu entdecken. Dass es nicht bis zur absoluten Höchstnote gereicht hat, liegt daran, dass es einige wenige Stellen gibt, die etwas ziellos wirken (hauptsächlich in "Rapid Calm") und dass die gebrüllten Passagen in manchen (seltenen) Fällen etwas eintönig herüberkommen. Diese Kritikpunkte sind aber ohnehin marginal, besonders da sie von den Vorzügen des Albums mit links überwogen werden. Zumindest das Reinhören ist für jeden Fan progressiven Metals ein Muss. Keine Widerrede!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.06.2015
Dan Briggs
Tommy Rogers
Paul Waggoner; Dustie Waring
Tommy Rogers
Blake Richardson
Metal Blade Records
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10.07.2015