Achtzehn Songs in knapp sechsunddreißig Minuten. Kein Punk, schwer verdaulicher Prog ist angesagt. Solcher, der technikaffinen Proggern die babyblaue Unnerbüxe warm werden lässt. Polyrhythmik! Dissonanzen!! Mathrock!!! Und der von seiner frippigen Majestät gebenedeite Trey Gunn gibt seinen Segen dazu: „That is some of the most fucked-up stuff I have heard in a very long time!” Die RESIDENTS im ACID MOTHERS TEMPLE lachen launig über diese zappelige Zirkulation kaltästhetischer Keyboards mit verzerrten Gitarren obendrauf. Nicht allzu „fucked-up“, eher der maschinenmusikalische Soundtrack zu eisigen Zeiten.
Erst mit Stück fünf, „Blast Unicorn: Final Exam“, kehren ein paar Sekunden Ruhe ein, doch nichts Wärmendes, nur plastilines Pluckern diverser Synthesizer, bevor das Gezicke wieder losgeht und des Proggies liebstes Haustier geschlachtet wird. Die sterilblasse Cover-Grafik aus dem Computer verheißt nichts Gutes: Das Einhorn bäumt sich zwar auf, aber es wird ihm an den Kragen gehen. Im Innersleeve weisen die in die Höhe gereckten Arme mit dem Hörnergruß der Metalbranche, ihr wisst schon, die Öhrchen gespitzt und das Mündchen geschlossen halten, den musikalischen Weg. Es geht deftig zur Sache, wobei ebenso wenig hart gerockte Hymnen erwartet werden dürfen wie eindeutig identifizierbare Gitarren. Der stumme Zuhörer wird zum Zeugen einer durchgeplanten (oder, wenn so etwas funktioniert, gezirkelt improvisierten) Destruktion.
Melodien werden nur in Bruchteilen angerissen und gleich wieder zerstört, „Van Halo“ bietet keinen Platz zum Ausruhen oder Verweilen, es wird durch die kurzen Stücke gehetzt als wären KRAFTWERKs-Roboter auf der Flucht vor HAL 9000. Oder seinen Erben. Der Klang ist passend künstlich, aseptisch, als würden die Sound-Ideale der 80er durch den Fleischwolf gedreht.
Am Ende beweisen BLAST UNICORN sogar Humor (zwischendurch eigentlich auch schon – „Just Chilin‘“, „Ausgeburt Of Love“). „Godshaped Ice Cream“ ist ein Bastard aus Jump’n’Run-Soundtrack und durchgeknalltem Kinderlied.
Das musikalische Dinner ist beendet, und der Gastgeber fragt wie es geschmeckt hat. Ein bunter Prog-Gemüseeintopf, behandelt nach allen Regeln der Molekularküche, schockgefroren serviert. Was antwortet man mit gefrorenen Lippen? „Interessant, mal was anderes“, und ist froh das Zeug nicht jeden Tag essen zu müssen.
FAZIT: Musik amoklaufender Computer, die ein einsamer Mathelehrer während einer „Nonnenfinsternis“ (schöner Titel) programmiert hat.
PS.: Cooler Karma-Zug, dass die Rezension direkt und ungeplant über einer VAN HALEN-Kritik gelandet ist. So muss das sein.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.04.2015
Tobias Reber
Alexander Paul Dowerk
Tobias Reber, Alexander Paul Dowerk
Tobias Reber (drum programming, samples), Alexander Paul Dowerk (additional programming, mouth)
Iapetus media
35:48
01.04.2015