Und wieder mal schreiben eine DVD plus CD und 16seitigem Booklet ihre unwiederbringliche Musikgeschichte. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Einerseits werden wir die Band, welche bei diesem Konzert auf der Bühne steht, nie wieder in einer ähnlichen Besetzung erleben, weil die beiden Band-Headliner bereits im ewigen Rock-Musikhimmel-Nirvana gemeinsam mit JIMI HENDRIX, JANIS JOPLIN, KURT COBAIN, JON BONHAM, GEORGE HARRISON, JOHN LENNON, RICK WRIGHT und vielen anderen viel zu früh abgetretenen Musik-Genies den Engels-Chören und Harfen-Fraktionen das rockige und bluesige Gruseln lehren.
Andererseits führt uns diese Musikzeitreise 37 Jahre zurück in die Vergangenheit, in welcher der Erfolg guter Musik nicht von Casting-Shows und Radio-Mainstream abhing, sondern vom Können und der ausgefallenen Performance der Musiker, die live beweisen mussten, ob sie‘s nun drauf hatten oder sich besser eine andere Beschäftigung suchen sollten. Wer gut im Musik-Rätselraten ist, der weiß vielleicht schon, um welche Band und Musiker es hier geht.
Na?!
Ich löse: die CLIMAX (CHICAGO) BLUES BAND sowie die 2008 an Krebs bzw. 2013 an einem Herzinfarkt verstorbenen Musiker COLIN COOPER und PETE HAYCOCK. Beide waren, so wie man es auch sehr offensichtlich bei diesem dreiviertelstündigen Fernsehauftritt sehen kann, der speziell für und vom BBC mitgeschnitten wurde, die Lichtgestalten dieser 1968 gegründeten Blues-, Rock und Funk-Band, welche sich 1972 von dem „Chicago“ in ihrem Namen trennte, um nicht mit der noch heute Weltruhm genießenden, deutlich funkigeren Band, die sich ausschließlich diesen Städtenamen verliehen hatte, verwechselt zu werden.
Bei dem Konzert handelt es sich um einen hervorragend restaurierten, sehr gut (in 5.1-Dolby- und Stereo-Digital) klingenden Auftritt im Rahmen der BBC-Serie „Rock Goes To College“, das vergleichbar mit den Rockpalast-Konzerten in Deutschland ist, nur dass die Bands hier knapp 50 Minuten lang live an einem englischen College auftreten und das BBC-Fernsehen sowie BBC-Radio One live übertragen und mitschneiden. Dieser am 3. November 1978 im Birmingham Politechnic aufgezeichnete Gig war der insgesamt sechste innerhalb dieser College-Reihe, bei der die Studenten oftmals freien Eintritt erhielten, um die Konzert-Atmosphäre so authentisch wie möglich rüberzubringen.
Was die CLIMAX BLUES BAND hier abliefert, überzeugt von der ersten bis zur letzten Minute. Musik voller Groove und Drive, oft mit wilden Saxofon- und Mundharmonika-Einlagen angereichert, die erst in die Ohren, dann die Beine und am Ende ins Blut gehen. Die fünf Blues-Jungs entfachen auf der Bühne ein Feuer, bis es im Saal regelrecht glüht und die Studenten fast urwüchsig ihre Begeisterung zum Ausdruck bringen. Man möchte gar nicht wissen, wie viele von diesen damals so ausgeflippten Studenten heutzutage biedere Schlips- und Krawattenträger sind, die sich lieber vor steigenden Börsen-Kursen glücklich einen runterholen, statt mal ab und zu wieder den Lautstärkeregler ihrer Anlage hochzudrehen, um so abzurocken wie vor über 30 Jahren, als sie noch den Blues hatten und direkt vor der Climax-Bühne standen.
Manchmal fragt man sich, wenn man sieht, was hier auf der Bühne so abgeht, warum man sich an die frühen STATUS QUO erinnert, als auch die noch jeden Saal zum Kochen brachten - und vor allem warum die eigentlich so deutlich erfolgreicher als die CLIMAX BLUES BAND waren. Dieser Auftritt jedenfalls spricht eine andere Sprache, eine, die eher einen Status Quo setzt, als es STATUS QUO ähnlich vermochten.
Beispielsweise eröffnet PETE HAYCOCK mit einem scharfen E-Gitarren-Solo „Country Hat“, um dann gemeinsam mit COLIN COOPER, der ihn auf der Mundharmonika in bester BOB DYLAN-Manier begleitet, den urwüchsigen Blues „Come On In My Kitchen“ zu entfachen, bis sie dann, nach einem erneuten Gitarren-Solo, in kompletter Besetzung ihren größten Hit „Couldn‘t Get It Right“, der sogar bis auf den 3. Platz der US-Top-Charts kletterte, samt begeisternden Satzgesängen, zum Besten geben, während das Publikum den Song wild abfeiert. Selbst das BEATLES-„Get Back“-Cover wird zu einer noch härter rockenden Blues-Version, die wieder mit einem Gitarren-Solo beginnt. Übrigens sollte „Couldn‘t Get It Right“ leider der einziger Top-Ten-Hit dieser begnadeten Band bleiben.
Spätestens nach dieser knappen Konzert-Stunde weiß man, warum das jugendliche Publikum dermaßen begeistert und warum es so wichtig ist, solche und ähnliche Konzerte für alle Zeiten auf kleinen, runden Silberlingen zu verewigen, die unseren Kindern eines Tages zeigen, warum wir früher und heute mehr auf Handgemachtes statt auf künstlich digital Downgeloadetes standen wie stehen.
FAZIT: Auch wenn die Musiker langsam wegsterben - es bleibt nach wie vor zu hoffen, dass uns ihre Musik für alle Ewigkeit erhalten bleibt. Die CLIMAX BLUES BAND „Live At The BBC“ auf CD und DVD samt umfangreichem 16seitigen Booklet & Slipcase sind jedenfalls ein ausgezeichnetes Beispiel dafür.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.11.2015
Derek Holt
Pete Haycock, Colin Cooper, Derek Holt
Pete Haycock, Colin Cooper
Peter Filleul
John Cuffley
Colin Cooper (Saxofon und Mundharmonika)
Repertoire Records
83:18
16.10.2015