MOTORJESUS haben spätestens 2010 bewiesen, dass Hard Rock aus Deutschland mehr sein kann als ein peinlicher Abklatsch US-amerikanischer Megaseller und Stadionacts, der mit Glück in der hiesigen Stadtfestkultur seinen bemühten Höhepunkt findet. Über dieses Format sind seitdem einige vielversprechende Newcomer hinaus gekommen und verwandeln vermeintliche Lückenfüllerslots in immer wieder wunderbar mitzuerlebende (Spät-)Nachmittagsauftritte. EAT THE GUN sind da seit einiger Zeit auf einem guten Weg und greifen jetzt nach den Sternen.
Einige nette Gigs durften die Münsteraner schon hinlegen und die Tourneen durch das Heimatland sind für ihre bescheidenen Ansprüche ordentlich besucht, der Durchbruch lässt aber bislang auf sich warten. Dabei ist das sympathische Trio schon seit mehr als zehn Jahren am Start und hat sich auf seinen vier Alben immer wieder an einem eigenständigen Sound versucht. Zu Beginn flirteten EAT THE GUN mit modernem Metal und harschem Gesang, mit den Jahren kam jedoch die Einsicht, dass harte und eingängige Sounds am besten in Rockmanier zu den Jungs passen. „Howlinwood“, das neue Album aus Münster Rock City, ist die konsequente Fortführung des beschrittenen Weges, aber auch ein klares Statement.
Die neuen Songs sollen keinen Zweifel mehr daran lassen, wo EAT THE GUN hinwollen, denn obwohl Eingängigkeit schon auf den letzten Alben eine große Rolle gespielt hat, gibt es nun eindeutige Zeichen in Richtung Radio. Der eröffnende Titeltrack ist ein straighter Rocker, der mit einer gewissen Sehnsucht nach ‚Howlinwood‘ schielt und einige melancholische Töne anstimmt. ‚Falling‘ gefällt noch ein bisschen besser, weil er AC/DC-Blues Rock mit Rock’n’Roll vermengt, ohne dass es nach dem befürchteten Abklatsch klingt und dazu noch einen cleveren Spannungsbogen packt, der den starken Refrain kontrastierend unterstützt. Dass für EAT THE GUN der Spaß an der Musik immer noch im Vordergrund steht, daran wird wohl niemand ernsthaft zweifeln. Vielleicht ist es aber genau deswegen so verwunderlich, woran sich die Münsteraner bei der Single ‚How Does It Feel‘ trauen.
Hier ist nichts mehr im Subtext, der Song ist purer Pop. Das wird den Meisten schon aus Prinzip gegen den Strich gehen, doch auch wer sich ein wenig länger damit auseinandersetzt, wird seine Schwierigkeiten bekommen. Sollte der Band damit der Sprung auf eine neue Popularitätsstufe gelingen, dann sei es ihnen gegönnt, aber das Ganze ist zu eindeutig komponiert und zu weit weg vom Rest des Materials, als dass es sich schlüssig in den Albumkontext hineininterpretieren lässt. Vielleicht wäre in diesem Fall eine EP-Veröffentlichung der interessante Weg gewesen, um eindeutige Signale zu senden und auf einen möglichen Erfolg das nachfolgende Album aufzubauen. So bleibt ‚How Does It Feel‘ ein Song, der musikalisch wie lyrisch kein Klischee auslässt und keinen Rocker zum Radiohörer bekehren wird.
EAT THE GUN können lockere, moderne Rocker nämlich viel besser. ‚Blood On Your Hands‘ könnte auch von FOZZY sein und zeigt abermals, dass sich das Trio nicht in eine musikalische Ecke drängen lassen will. Das wird mit der Südstaaten-Halbballade ‚Old Friend‘ oder dem LED ZEPPELIN/Country-Mix ‚Electric Life‘ noch weitergesponnen. Auf die Suche nach dem roten Faden sollte man sich gar nicht erst begeben, dafür gibt es mit u.a. Hard Rock, Rock, Blues, Country, QUEENS OF THE STONE AGE viel zu viele Einflussfaktoren. Das ist einerseits durchaus sympathisch, weil es der Band tatsächlich um den Wert des Songs an sich zu gehen scheint, andererseits fehlt dann doch manchmal ein gewisser Sound, der alles zusammenhält. „Howlinwood“ könnte nämlich durchaus als Song-Zusammenstellung interpretiert werden, ein Querschnitt durch die Geschichte der Band, nur dass diese Songs in nur einer Session entstanden sind.
Trotzdem könnte die Rechnung für EAT THE GUN aufgehen, die auch mit Songs wie ‚Take It Away‘, ‚Unforgotten‘ und ‚Trouble Magnetic‘ auf sich aufmerksam machen. Das liegt vor allen an den starken Gesangslinien, die die ansonsten nicht weiter bemerkenswerten Songs aufzuwerten wissen. Hier hätte neben einem roten Faden auch gerne noch ein bisschen mehr Konsequenz und Rotzigkeit in die Kompositionen fließen können. Überhaupt nicht aus dem Quark will ‚The Drudge‘ kommen, das bei all der Country-Lässigkeit jegliche Höhepunkte vermissen lässt. Zusammen mit der rockigen Akustik-Nummer ‚Anger‘, die aber ähnlich zahnlos bleibt, findet das Album keinen passenden Abschluss für ein ambitioniertes Album, das vor allem auf energiegeladenen Rock setzt.
FAZIT: EAT THE GUN setzen zum Sprung an und dabei sind ihnen viele Mittel und Wege recht. Neben lupenreinem Pop gibt es viele Rockradio-Kandidaten, die den Münsteranern durchaus gelingen und ihnen sicher einige Türen öffnen. Doch so ganz will sich auf „Howlinwood“ kein roter Faden finden lassen, dabei hat die Band trotz der vielen verschiedenen Einflüsse das Zeug einen Signature Sound zu kreieren. Dazu gesellen sich einige „nur“ gute Songs, die zu sehr von den starken Gesangslinien zehren, der aus zwei Songs bestehende Abschluss ist dagegen viel zu behäbig und will nicht so ganz zum Album passen. EAT THE GUN machen einen Schritt, es bleibt nur die Frage, ob der eindeutig genug war. So weiß man nicht so ganz, welchen Maßstab man letztendlich anlegen soll: Steht der Spaß immer noch im Vordergrund oder ist es der Erfolg, der ab jetzt zählt?
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.08.2015
Peter Bergmüller
Hendrik Wippermann
Hendrik Wippermann
Gereon "Gerry" Homann
Steamhammer/SPV
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28.08.2015