Nun ist sie wiederhergestellt, die chronologisch richtige Reihenfolge der musikalischen Veröffentlichungen einer „arktischen Fee“, welche die Tradition der Sami mit hypnotisch schönen, modernen Melodien und einer Stimme, die eben nicht von dieser Welt sein kann, sondern einer Fee sein muss, in Einklang bringt.
Nachdem also <a href="http://musikreviews.de/reviews/2013/Elin-Kaven/Maizan-Thaw/" rel="nofollow">ihr zweites Album</a> zuerst in Deutschland veröffentlicht und sehr begeistert aufgenommen wurde, kame es zu einer Überraschung, denn es folgte <a href="http://musikreviews.de/reviews/2015/Elin-Kaven/Jiknon-Musihkka-Frozen-Music-New-Edition-plus-DVD/" rel="nofollow">das erste Album als Deluxe-Ausgabe</a>, angereichert mit einer spannenden Konzert-DVD, auf der man auch ELIN KÅVENs tribalen Bauchtanz und einen finnischen Gitarristen, zu dem JIMI HENDRIX im Himmel garantiert Beifall klatscht, bewundern durfte.
Jetzt sind wir also beim top-aktuellen Album Nummer 3 angelangt: „Eamiritini“, was, wenn ich mich nicht ganz täusche, so viel wie „Im Raureif geboren“ heißt. Und diese Musikerin mit einem schamanischen Großvater und ihrer engen Natur- und Traditionsverbundenheit setzt auch auf ihrem dritten klangvollen Kunstwerk genau das fort, was sie auf den beiden Vorgängern bereits traumhaft erklingen ließ. Konsequent bleibt sie sich und ihrer Musik-Linie treu und macht damit ihre Hörer auch mit ihrem dritten Album wieder glücklich.
ELIN KÅVEN spielt und singt in einer eigenen Liga und im Grunde sollten wir für sie auch ein eigenes Musik-Genre schaffen: den Sami-Folk-Feen-Pop!
Doch bevor wir der Musik von „Eamiritni“ verfallen, sollten wir ein paar Elfen-Worten lauschen, die wir im Booklet der CD lesen dürfen:
„Längst habe ich verstanden, wie wichtig es ist, sich seines eigenen kulturellen Erbes bewusst zu sein. Es geht nämlich unglaublich schnell, seine Wurzeln zu leugnen, sie abzulegen, statt sich deren Werten und Weisheiten zuzuwenden und sich mit ihnen zu beschäftigen. Dieses Album hat mich noch stärker mit meiner Herkunft verbunden, sodass ich mich wie neugeboren fühle. [...] Alle Titel haben einen sehr persönlichen Bezug und inspirierten mich, meine Musik ganz nah an der Kultur der Sami anzusiedeln. Die Sami lieben den Yoik, die Berge, die Natur und die Tiere. Auf diesem Album wirst du darum viele Yoiks hören und Lieder, die meiner Katze Lynxie, meiner Nichte Enya, meiner Großmutter Inga, den Bäumen und einem Tanz-Festival, das mein Leben veränderte, gewidmet sind. Mein Geburtstag liegt genau zwischen Herbst und Winter, einer besonders schönen Jahreszeit zwischen grünen Blättern und Raureif. Für mich jedenfalls die schönste Zeit des Jahres.“
Eigentlich ist mit diesen Worten schon unglaublich viel auch zur Musik gesagt, die in den knapp vierzig grünen Raureif-Klang-Minuten uns eine gänzlich unbekannte Kultur erschließt, indem wir im Gesang die Sprache der Sami, welche in dem schönen Booklet auch ihre englische Übersetzung erhielt, und in der Musik traditionelle Sami-Klänge, die sich zwischen Ethnisch und Ekstatisch bewegen, kennenlernen. Zugleich aber werden wir auch mit sehr moderner Musik, akustischen und elektronischen Instrumenten, poppigen und rockigen Melodien, Folk und Soundeffekten konfrontierten. Dazu kommt noch ein Sound, dessen Klangqualität allerhöchster Güteklasse entspricht und von herrlichen Stereo-Effekten und kristallklaren Aufnahmen lebt.
„Lynxie“ klingt sogar psychedelisch mit ein paar postrockigen Elementen und voller Atmosphäre, die einem die Ohren an die Box-Membranen nagelt. Ein Mega-Hammer ist dann „Gothla“ - eine Kombination aus elektronischer Musik, die aus der Feder des leider viel zu früh verstorbenen geistigen Vaters von TANGERINE DREAM, Edgar Froese, stammen könnte, schamanischen Trommelrhythmen, rockender E-Gitarre und dem wilden Yoik - also intonierte, inspirierende Töne ohne Texte -, und imitierten Wolfsgeheul besteht. Oder dieser kaum fassbare „Baum-Tanz“ (Muórat Dánsot), der nur aus der Zeile: „Bäume tanzen im Wind - immer!“ besteht und dem „Enya“ folgt, bei dem man glaubt, ROBERT FRIPP würde die Gitarre und EDDIE JOBSON die Violine spielen, während Elin wieder aus einer Kombination von Yoik und den Text, der ihre große Liebe für ihre kleine Nichte zum Ausdruck bringt, nicht nur singt, sondern kreiert. Bei „Dohkká“ glauben wir, PHIL MANZANERA würde die Gitarre zu einem Saiten-Feuerwerk erklingen lassen - aber nein, es ist eine der definitiv weltweit besten, leider noch nicht wirklich entdeckten Gitarristen aus Finnland: JUHANI SILVOLA.
Spätestens nachdem ich ihn bereits das zweite Mal live erleben durfte, ist mir wirklich bewusst, dass meine Behauptung nicht nur mal so schnell dahingeschrieben ist. Wahrscheinlich ist gerade darum auch das Album so außergewöhnlich abwechslungsreich und hypnotisch, denn Silvola spielte auf „Eamiritni“ nicht nur fast alle Instrumente selber ein, sondern wirkte auch intensiv an den Kompositionen mit. KÅVEN & SILVOLA sind eine der kreativsten Musikerkombinationen, die sich gegenseitig wohl ähnlich befeuern wie vor über fünfzig Jahren ein LENNON & McCARTNEY und dadurch Musik von ewig bleibendem Wert schufen.
Manchmal überfällt mich beim Hören dieser Musik der Gedanke, dass sich die BEATLES ganz ähnlich fühlen mussten, als sie George Harrison folgten, der völlig in der indischen Guru-Lehre und -Musik aufgegangen war. Dieses Gefühl darf man auch beim Hören von „Eamiritni“ spüren.
FAZIT: Wer sich auf dieses Album intensiv einlässt - in einem Raum mit guten Boxen und dann unter Kopfhörern - der muss einfach spüren, was der Kritiker dieser Zeilen, der unter keinerlei Einfluss von Alkohol oder Drogen steht, zum Ausdruck bringen wollte. Der einzige Rausch, dem man in diesem Falle verfällt, ist dem KÅVEN-Rausch! Ein Rausch, der gerne etwas länger als 39 Minuten dauen dürfte!
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.11.2015
Juhani Silvola
Elin Kåven
Juhani Silvola, Odd-Erling Simensen
Juhani Silvola
Juhani Silvola, Timo Silvola
Sarah-Jane Summers (Hardanger-Fiedel)
Nordic Notes
38:53
06.11.2015