FAREWELL besteht in erster Linie alleine aus dem französischen Multiinstrumentalisten Jean-Baptiste ‚JB‘ Calluaud. Ergänzt um weibliche Gesangsunterstützung, zwei Trommler (abwechselnd) und ein schnuckeliges Streichquartett. Das mitunter vervielfältigt und um Keyboards erweitert wird, damit „Living Ends“ zum wahrhaft konzertanten Ereignis wird. Wobei Calluaud keine großangelegte sinfonische Dichtung anstrebt, die zahlreichen Stücke auf dem etwas mehr als halbstündigem Debüt bleiben knackig und songorientiert.
Das reicht für großformatiges Auftreten, eine fette Portion Drama und orgiastische Aufwallungen. Konterkariert durch lyrische, zurückhaltende Passagen, sperrige Elektronik und krachende Ausflüge Richtung Post Rock („The killing Hours“). Dann, ganz selten schieben sich Gitarren laut in den Vordergrund, die ansonsten ein Schattendasein führen, beziehungsweise komplett außen vor gelassen werden. Wesentlich relevanter sind akzentuierte Pianoläufe, satte Tastenklänge und süffige Streicher.
Gesanglich streifen die beiden Sängerin klassische gebiete, während JB Calluaud vokal den rockorientierten Singer/Songwriter gibt. Seine rauchige Stimme erdet das große Drama und relativiert neben gelegentlichen Dissonanzen und Reduktion auf die kleine Streicherbesetzung allzu heftige Pathos- und Bombast-Ausbrüche. In manchen Momenten gesellen sich Eleanor Rigby und Michelles große Pariser Schwester zum bedrohlichen Brodeln und sorgen für ein wenig Aufheiterung im vorherrschenden düsteren Treiben. Dabei entgeht FAREWELL der Gefahr in standardisierte Gothic- und Darkwave-Depressionen zu verfallen.
Das ist eine ziemlich eigene und ansprechende Mixtur, die JB Calluaud seinen Hörern bietet. Eine klassisch instrumentierte Grundlage, darauf getürmt elektrische Soundwälle und Soundtrack-Skizzen für imaginierte Filme. Nicht ausformuliert und ausgespielt bis zum letzten Atemzug, sondern oft in Andeutungen oder kurz vor der letzten, großen Explosion im Zustand des Werdens belassen. Abbruch und Neuanfang. Interessante Arbeit.
FAZIT: „Nu Klassik“ nennt der Künstler, über den erstaunlich wenig Infos in der Wunderwelt der weltweiten Vernetzung existieren, seine musikalischen Eruptionen selbst. Geht in Ordnung und bezeichnet eine spannende Mixtur aus opernhafter Sinfonik, Kammermusik und filigranen bis wuchtig explodierenden Rock-Elementen, die sich wenig um (Genre)-Grenzen schert. Ein so überraschendes wie geglücktes Debüt, weit homogener als man auf den ersten Eindruck hin vermuten könnte.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.04.2015
Jean-Baptiste ‚JB‘ Calluaud
Jean-Baptiste ‚JB‘ Calluaud, Yuliya Brown, Vanessa Lauriola
Jean-Baptiste ‚JB‘ Calluaud
Jean-Baptiste ‚JB‘ Calluaud
Kevin Ki, Thierry Volto
Quentin Gendrot (cello), Gaetan Arhuero, Thérése Labrousse, Even Dew (violins), Jean Baptiste ‚JB‘ Calluaud
Hesat Recordings
35:26
30.01.2015