Wer bitte ist FIN GREN?
Einfache Frage - und noch einfachere Antwort, denn bereits auf dem das Album eröffnenden „Schattenmann“ gibt uns der rockige Liedermacher, der mit bürgerlichem Namen Dietmar Schmeil heißt und vor seiner Rockpoeten-Karriere Sänger der Agit-Punk-Band GESOCKS, die später zu BLEIBENDE SCHAEDEN wurde um gleiche auch zu hinterlassen, ausgiebig Auskunft: „Prolet-Poet, ein Nirgendwo-Angekommener, ein unbekannt Bleibender, einer, der die Hamburger Schule geschwänzt hat und nie bei TVnoir auftrat oder an der Pop-Akademie war.“
Das ist doch schon mal eine ganze Menge. Eine Menge eben, in deren Schnittmenge nur noch der Begriff „Alternativer Rock mit deutschen Texten“ übrig bleibt. Am Ende nicht viel, aber immerhin genug „Propaganda für‘s Paradies“, vorausgesetzt man spricht und singt dort deutsch.
Das erste Solo-Album von FIN GREN weist nicht nur musikalische, sondern auch textliche Bezüge zu einigen internationalen Größen aus Folk, Blues und Underground auf, wie BOB DYLAN oder NICK CAVE, selbst wenn es noch ein weiter Weg für FIN GREN ist, um an deren Musik-Lack zu kratzen. Dafür aber könnte er mit deutlich mehr Anstrengung und ein paar noch besseren Ideen in gar nicht all zu langer Zeit in die Fußstapfen eines ganz Großen, der seit Ewigkeiten schon ein paar Meter unter der Erde liegt, treten: RIO REISER. Fast ein Kuriosum ist dabei, dass die Stimme des Ex-Punks mit ihrer etwas nasalen, manchmal gar verschnupft wirkenden Intonation neben besagtem Reiser auch zwischen STEFAN WAGGERSHAUSEN, UDO LINDENBERG und ACHIM REICHEL pendelt.
Bedenkt man allerdings, dass FIN GREN aus dem Punk, auch noch dem Agit-Prop-Punk kommt, dann erscheinen seine Texte, die sich größtenteils um das alles bestimmende Thema Liebe dreh‘n, doch zu einseitig - selbst wenn sie eine gehörige Portion Poesie in sich tragen - und fast zahnlos. Insgesamt entspannte und recht ruhige Musik und Texte, die intelligent, aber nicht bissig sind und die Frage aufwerfen, wo denn die im Album-Titel angekündigte „Propaganda“ bleibt, egal ob für‘s Paradies oder‘s Freudenhaus. Das soll doch bekanntlich für den einen oder anderen von uns auch das Paradies sein!
Provokationen werden zum Leidwesen von „Propaganda für‘s Paradies“ leider gänzlich komplett ausgeblendet. Also, lieber FIN GREN, halte dich nicht zu sehr an die Aussage deiner akustischen Ballade „Lass dir Zeit“, denn auch dein „Karma auf Kredit“ ist - genauso wie der zugleich beste, weil nicht nur längste, sondern auch fast psychedelische Song - nicht unerschöpflich. Darum Feuer frei im „Kosmos der Anarchie“ und weniger im Stil von „Sie hat ihr Herz verloren“, denn sonst werden wir dich „nicht vermissen, wenn du gehst“.
Seltsam mutet auch der Bonus an - zwei deutsche, mit akustischer Gitarre und Piano eingespielte Lieder von JOHANNA PFEIFER - die, wie‘s scheint, in keinerlei Verhältnis zum eigentlichen Album von FIN GREN stehen, außer dass die Songs musikalisch und textlich deutliche Ähnlichkeiten aufweisen und die Musikerin in FIN GRENs Band in die Tasten greift. In diesem Fall also nur „Bonus-Propaganda für Johanna Pfeifer“.
FAZIT: Die letzte ostdeutsche Musikzeitschrift „Melodie & Rhythmus“ schätzte dieses Debüt-Album als „ruhige[n] und gefühlvolle[n] Alternativ-Deutschrock“ ein. Wollen wir‘s einfach mal dabei belassen und noch durch „relativ eintönig“ ergänzen.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.01.2015
Gerd Breuch
Fin Gren, Johanna Pfeifer
Carsten "Keule” Collenbusch, Fin Gren
Johanna Pfeifer
Stefan Ludmann
Grenland Records / Zimbalam
48:49
29.12.2014