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Ghost: Meliora

Stil: Hard Rock/Metal/Doom Rock/Pop

Cover: Ghost: Meliora

Von ihnen gibt es heutzutage nur noch wenige, von den Phänomenen und Hoffnungsträgern eines ganzen Genres. Umso erstaunlicher ist es da, dass GHOST (nun auch in den USA wieder ohne dem nervigen Anhängsel „B.C.“) gleich zu Beginn ihrer Karriere mit einem ausgearbeiteten Konzept vorstellig wurden, mit dem sie heute zum Sprung nach ganz oben ansetzen. Noch bemerkenswerter ist allerdings, dass sie mit zum Teil zuckersüßen Pop-Anteilen gerade in der Metalszene so großen Anklang finden.

Sicher muss die Variable „Genreaffinität für mysteriöse, maskierte und satanistisch anmutende Gestalten in der Erfolgsformel beachtet werden und auch am pseudo-subversiven Spiel mit den Heiligkeiten der katholischen Kirche werden einige Metalheads ihre Freude haben. Doch trotzdem ist es allen voran die Musik, mit der GHOST trotz der zahlreichen, wie verschiedenen Einflüsse aus der gesamten Musikwelt der 1960er- bis 1980er-Jahren wie BEATLES, ABBA, MERCYFUL FATE, WITCHFINDER GENERAL, PENTAGRAM und BLUE ÖYSTER CULT überzeugen. Und was vielleicht noch ein kleines bisschen wichtiger ist: Wenn die Schweden dann doch mal kritisiert werden, dann geht es dabei fast nie um den lupenreinen Pop in ihren Kompositionen.

Ihr Debüt „Opus Eponymous“ konnte seine überschwängliche Rezeption über die letzten fünf Jahre nicht vollends konservieren, in den immer noch guten bis sehr guten Songs hört man mittlerweile (gar nicht böse gemeint) ein wenig karrierejugendliche Naivität raus, auch weil die rohe Produktion manch eine Chance auf zusätzliche Strahlkraft des Materials ungenutzt lässt. Genau diesem Umstand wollten GHOST auf „Infestissumam“ entgegenwirken, indem sie Starproduzent Nick Raskulinecz (u.a. FOO FIGHTERS, RUSH, DEFTONES) damit beauftragten einen geschliffenen, auf die große Masse ausgerichteten Sound zu finden. Während soundtechnisch nun alles wie gewünscht klang, verhaspelten sich die Schweden zwischen weiteren, unbestreitbaren Hits wahlweise in faden Kompositionen, unnötigen Zwischenspielen oder zu offensiver Theatralik in Richtung Jahrmarkt und Klischee.

Dieser Kritik nach zu urteilen haben GHOST ihre Lektion gelernt: Mit „Meliora“ kommt nicht nur ein neuer, päpstlicher Frontmann (auch hier wie immer mehr Schein als Sein), sondern auch Songs, die genau in die Schnittstelle der beiden Vorgängerwerke passen. Doch trotzdem klingt das Sextett etwas anders, was auch mit den leicht angepassten Vocals zu tun hat. ‚Spirit‘ ist ein guter Opener, weil er nicht ganz stromlinienförmig gestaltet ist, aber trotzdem Epik und Pop unter einen eingängigen Hut bringt. Während zu Beginn noch der Albumaufbau eine Rolle beim Hörerlebnis spielt, wird ‚From The Pinnacle To The Pit‘ seinem Singlestatus mehr als gerecht und könnte für sich alleine stehen. Hier kommt alles zusammen, was GHOST waren und schon immer sein wollten: Harte und ins Hirn schneidende Gitarren- und Bassriffs treffen auf eingängigen Popgesang und ergänzen sich zu einem der größten Hits der Band.

Insgesamt ist das Album von Klas Åhlund, der schon für u.a. ROBYN, BRITNEY SPEARS und SUGABABES produzierte und komponierte, perfekt in Szene gesetzt worden. Alle Instrumente sind auf Hochglanz poliert und ergänzen sich zu einem im besten Sinne pompösen Klangbild. Auf besonders imposante Weise hilft das dem zweiten Megahit auf „Meliora“, dem knapp sechsminütigem ‚Cirice‘. Das Spiel zwischen hart und weich haben die mysteriösen Schweden weiter verfeinert und einen guten Ansatz gefunden, um in die sechsminütige Metal-Hard Rock-Pop-Nummer bei all den Highlights, röhrenden Basslines und stampfende Schlagzeugklängen auch noch eine unverkrampfte Solosektion unterzubringen. Nach so vielen, qualitativ hochwertigen Reizen meinen GHOST, dass es Zeit für eine Pause ist.

Das Zwischenspiel ‚Spöksonat‘ ist zwar gut gemeint und passt auch ins Soundkonzept der Band, aber wirklich nötig ist sie wie ‚Devil Church‘ weiter hinten im Album nicht. Dazwischen tummelt sich die Halbballade ‚He Is‘, mit dem sich GHOST bis auf den Text von jeglichen Fesseln befreien, die sie zuvor noch vom Radio zurückgehalten haben. Eigentlich wurde der Song schon 2007 geschrieben, aber erst jetzt hatten die Schweden das Gefühl, der Song könnte auf ein Album passen. Auch hier gilt: Der Song gelingt den Herren Ghouls ziemlich gut und kann bei Kenntnis der Diskographie und des Albumzusammenhangs nicht missverstanden werden. Letzteres gilt auch für ‚Mummy Dust‘, das als ordentlich durchgeht, aber gerade im Vergleich zur Ohrwurmdichte des restlichen Albums am Fehlen cleaner Gesangspassagen zu knacken hat. Es ist ein löblicher Versuch etwas Abwechslung in das Album zu bekommen, der aber nicht wie gewünscht funktioniert und auch nicht nötig gewesen wäre.

Single Nummer drei namens ‚Majesty’, legt mit einem fetten Hard Rock-Riff, sowie Hammond-Orgel-Klängen ordentlich los und experimentiert ähnlich wie ‚Spirit‘, wie weit man Rhythmen und Songaufbauten variieren kann, bis das Label Pop nicht mehr passt. Außerdem fällt auf, dass GHOST mittlerweile gewissenhafter mit zusätzlichen Chören und Streichern, Keyboards und Pianos umgehen und insgesamt etwas ernsthafter zu Werke gehen. Allerdings rocken GHOST hier nicht so losgelöst wie noch zu Beginn, der Song lebt vor allem durch seine Stimmung und wie fast jeder andere Song von den fantastischen Gesangslinien. Das nachfolgende ‚Absolution‘ ist hingegen wieder ein klasse Rocker im Stile der Überhits, ist aber „nur“ ein Hit. Wer jedoch danach nicht „Cry for Absolution“ innerlich mitgröhlt, hat mit diesem Album und mit dieser Band nichts zu schaffen.

Danach schließt „Meliora“ ähnlich apokalyptisch wie der Vorgänger mit ‚Monstrance Clock‘ (vielleicht wegen des Tickens im Hintergrund?) und das passt ähnlich gut in den Albumablauf wie der Opener ‚Spirit‘, jedoch hätte nach ‚He Is‘ ruhig ein anderes Bild als die brennende Erde bemüht werden können. Trotzdem setzt bei den Kirchenchören zum Abschluss noch einmal Gänsehaut ein und man stellt sich vor, dass das Ende der Welt mit GHOST im Ohr gar nicht mal so schlimm wäre. Vielleicht haben sie aber auch (nicht nur durch das an Fritz Langs Meisterwerk „Metropolis“ angelehnten Cover) noch angemessener zeigen können, wie es in ihrer Heimat aussieht, einem blasphemischen Paradies für alle, die sich nicht zwischen den Sünden Pop- oder Rock-Musik entscheiden wollen.

FAZIT: „Meliora“ ist das bislang beste GHOST-Album, weil es das Beste aus den beiden Vorgängeralben zusammenbringt. In dieser Welt zwischen Pop und Hard Rock, in der Einflüsse aus vergangenen Zeiten zu etwas Eigenständigem zusammenwachsen, passt mittlerweile ziemlich viel zusammen, auch weil die Schweden einen guten Mittelweg gefunden haben. Der Pomp wird dosiert und passgenau zu der Mischung gegeben, wodurch die Songs etwas ernster klingen. Dazu gibt es haufenweise Hits und die zwei besten Songs, die GHOST bislang geschrieben haben. Leider funktioniert aber nicht alles auf „Meliora“, gerade die Mitte wird durch einen starken Rahmen kontrastiert, wodurch das verwöhnte Ohr besonders kritisch mit den durchaus guten Ideen umgeht. Der Durchbruch dürfte Papa Emeritus III und seinen namenlosen Ghouls aber so oder so kurz bevorstehen.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.09.2015

Tracklist

  1. Spirit
  2. From The Pinnacle To The Pit
  3. Cirice
  4. Spöksonat
  5. He Is
  6. Mummy Dust
  7. Majesty
  8. Devil Church
  9. Absolution
  10. Deus In Absentia

Besetzung

  • Bass

    Nameless Ghoul

  • Gesang

    Papa Emeritus III

  • Gitarre

    Nameless Ghoul; Nameless Ghoul

  • Keys

    Nameless Ghoul

  • Schlagzeug

    Nameless Ghoul

Sonstiges

  • Label

    Spinefarm Records

  • Spieldauer

    41:37

  • Erscheinungsdatum

    21.08.2015

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