„Gute deutsche Rockmusik!“ - das ist so ein Prädikat, nach dem viele Bands aus Deutschland zwar mit gutem Willen streben, es aber mit nur durchschnittlichem Können meist verfehlen. Dieser mitunter fast blöde Hype, dass plötzlich deutsche Musiker ihre Muttersprache wieder für sich entdecken, hat noch lange nicht zur Folge, dass plötzlich auch bessere deutschsprachige Rockmusik entsteht. Denn dazu benötigen wir keinen Hype, sondern gute Texte plus gute Kompositionen plus gute Sänger und Musiker. Zu oft noch scheitert der Deutschrock noch an mindestens einem dieser Punkte, was leider ansatzweise auch für das Debüt-Album „Weiteratmen“ von HI! SPENCER gilt.
Die fünf Osnabrücker Jungs jedenfalls haben sich - das zeigt einem bereits das ansprechende CD-Digi-Pack samt 16seitigem Booklet (in das sich leider eine ganze Menge an orthografischen Fehlern - besonders die Kommasetzung betreffend - eingeschlichen haben) - viel vorgenommen, um den deutschen Musikmarkt mit anspruchsvollem Indie-Pop und rotzigem Punk-Rock zu bereichern, der seine lyrischen Botschaften mit zynischer Kritik oder lustigem Zynismus und sogar emotionalem Tiefgang an den Hörer zu bringen versucht.
Da klingt dann „Silvester“, der feurige Einstieg in das Album, ein wenig so, als hätten die BÖHSEn ONKELZ den Punk für sich entdeckt, aber mit einem recht ironischen Text garniert, der im Grunde nicht wirklich zur Musik passt.
Das ähnlich feurige „Trümmer“ wiederum könnte auch locker einen würdigen Platz auf der nächsten JUPITER JONES-Scheibe finden, wobei dann „Schatten/Licht“ mit einem anderen Sänger, dem Gitarristen MALTE THIEDE, aufwartet, der mit seiner relativ hohen Stimme im Gegensatz zum eigentlichen Sänger SVEN BENSMANN wie ein Wolf, der Kreide gefressen hat, klingt.
Mit „Lass mich glauben“ erwartet uns dann die erste Ballade, dominiert von Piano und Stimme, welche sich zwischen einem verschmusten KETTCAR-Song sowie einem zarten TOMTE-Lied einordnet und sich mit seinem Herz-Schmerz-Text keinen Gefallen tut. Warum das rockige „Stephen King“ sich nach besagtem Horror-Autor nennt, bleibt dann das Geheimnis der Band mit der Feststellung: „Selbe Scheiße andrer Tag.“ Schöne Scheiße, dieser Song!
„Herr Schlüter“ erzählt dann mit punkigen Rhythmen die Geschichte über einen Arsch aus der Nachbarschaft. Dieser frustrierte Spießer ruft bei jedem Mückenschiss die Polizei an und findet eine überraschendes, ungewöhnliches Ende, das hier natürlich nicht verraten wird.
Das Duett der beiden Sänger auf „Tel Aviv“ zeigt dann deutlich die Schwächen des singenden Gitarristen, der an den lauten Stellen dünn schreit, wobei er wie eine billige Punk-Kopie klingt, die gerne laut sein möchte, aber nur nervend kreischt. Zum Glück werden wir dann mit der ganz großartigen Ballade „Sie tanzt“ entschädigt, die sich zwischen GRÖNEMEYER sowie den CLOWNS & HELDEN (Kennt die noch wer?) bewegt und mit dem tatsächlich stärksten Text aufwartet, der ein wenig an Grönis „Sie hört Musik nur wenn sie laut ist“ erinnert: „Sie weiß es selbst, sie ist verbraucht, doch die Welt ist es doch auch!“ Wären doch nur mehr Songs auf „Weiteratmen“ so gelungen wie der letzte Titel des Albums. HI! SPENCER haben‘s tatsächlich drauf, nur richtig bewiesen habe sie‘s uns mit ihrer Debüt-CD noch nicht.
FAZIT: Nichts Neues aus deutschen Landen, dafür aber viel Altbewährtes der Marke JUPITER JONES, die mit HI! SPENCER vielleicht eines Tages einen würdigen Nachfolger erhalten.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.02.2015
Jan Niermann
Sven Bensmann, Malte Thiede, Jan Niermann
Janis Petersmann, Malte Thiede
Jan Niermann
Niklas Unnerstall
Eigenvertrieb / Timezone
46:10
06.02.2015