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Reviews

IKI: Lava

Stil: Skandinavischer, achtstimmiger Folk, Jazz, Avantgarde etc.

Cover: IKI: Lava

So ist das nun mal. Wer kennt sie nicht, diese Selbstzufriedenheit, wenn man mit über 50 und ein paar tausend Tonträgern etwa aller musikalischen (halbwegs anspruchsvollen) Richtungen im Platten- und CD-Regal glaubt, alles irgendwie zu kennen und irgendwo schon mal gehört zu haben? Nichts kann einen mehr musikalisch überraschen oder wirklich verblüffen. Man wird als Musikkritiker und Hörer routiniert und ordnet alles nach ein paar Tönen in seine alle Musik kategorisierende Hirn-Schublade ein, legt sie dort ab und freut sich auf das nächste musikalische Kunstwerk, das einen erwartet und hoffentlich in eine der beliebteren Schubladen abgelegt werden kann.

Doch dann treffen plötzlich die Ohren auf IKI und melden dem Hirn: „Achtung, Achtung - für das, was ich dir jetzt durch Membran, Hammer, Amboss und Steigbügel sende, werden deine Windungen verzweifelt nach einer Schublade suchen, aber keine finden!“
Wie auch, denn dieses ausgeflippte, achtköpfige, skandinavische Damen-Vokalensemble ist ein Musikphänomen, denn diese Däninnen, Norwegerinnen, Finninnen und Isländerinnen erzeugen fast ausschließlich mit ihren Stimmen eine Klangmixtur aus Folk, Prog, Jazz, Klassik, Pop, Soul, Oper und sakralen Tönen, welche sie mit eigenen Worten folgendermaßen beschreiben: „IKI ist ein neugeborenes Baby, eine freche Göre, eine Meerjungfrau oder eine weise alte Frau.“

„Lava“ ist natürlich ein hervorragender Name für ihr neustes Album, denn es enthält genauso ein Brodeln im inneren des Vulkans, wie ein Blubbern, das sich erhebt, unglaubliche Hitze entwickelt und wie eine Eruption aus der Vulkanöffnung schießt um als glühend heiße Magma-Masse Richtung Tal zu fließen, um alles unter sich zu begraben und entflammen zu lassen.
Diese heißen, eruptiv-ekstatischen Töne sind wirklich nicht zu fassen - nein, denn sie sind viel zu heiß - weil das Oktett ihre Stimmen gleichermaßen als Instrument und Text-“Transporteur“ einsetzt. Und wer nun Angst bekommt, solche Musik würde zu einseitig sein, weil eben nur Stimmen am Werke sind, der kann beruhigt werden. In sieben der elf Titel tauchen überraschend Gitarren auf, die den instrumentalen Gesang mit einem „echten“ Instrument untermalen oder verstärken.
Auf „Lava“ jedenfalls wird es nie langweilig.
IKI betonen auch, dass sie sich bei ihrem Album besonders von der wilden isländischen Natur beeinflussen ließen, was sicher auch daran liegt, dass die Aufnahmen im isländischen Studio von SIGUR RÓS entstanden. Obwohl einem bei dermaßen „verrückt-kreativer“ Musik nur eine andere Isländerin in den Sinn kommen kann: BJÖRK!

FAZIT: „Lava“ ist eine musikalische Horizonterweiterung, die uns mit Hilfe von acht Frauenstimmen und einer Gitarre zum einen eine Tür zur nordischen Musikkultur und zum anderen ein riesiges Tor zu einer neuen Musikrichtung aufstößt, für die es bis dato noch nicht einmal einen Namen gibt!

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.04.2015

Tracklist

  1. Yanagaga
  2. Time Traveler
  3. Ellikvaedi
  4. Lava Child
  5. Hamanjah
  6. I Build My House Around You
  7. Bite
  8. For Aerlig
  9. Elveszett Kiralynö
  10. Things Have Changed
  11. Trio

Besetzung

  • Gesang

    Kamilla Kovacs, Johanna Sulkunen, Guro Tveitnes, Anna Mose, Sofie Holm, Mia Marlen Berg, Anna Maria Björnsdottir, Mette Skou

  • Gitarre

    Hilmar Jensson

Sonstiges

  • Label

    Nordic Notes

  • Spieldauer

    34:26

  • Erscheinungsdatum

    10.04.2015

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