Und noch ein Debüt einer US-Band aus dem "alternativen" Prog-Bereich, das staunen macht: IN THE PRESENCE OF WOLVES machen sich die Epik der großformatigen Rockbands ihres Landes zunutze, um einen quirlig verspielten eigenen Stil herauszuarbeiten, dem eindeutige Vorbilder zugrundeliegen, ohne dass man von Abkupfern sprechen müsste.
Das Quartett aus New Jersey fußt auf erdigen Grooves und Riffs, die jedoch immer wieder "umgelenkt" werden, sodass ein zunächst sperriger Eindruck entsteht, quasi wie bei den frühen SOUNDGARDEN oder TOOL, bloß mit sehr aufgeräumter Produktion ohne Firlefanz abgesehen von einigen Chorgesängen ("Hypoxia") und dezenten Streicher- beziehungsweise. Keyboard-Arrangements im Hintergrund. "Thalassas" hat viel von der Stimmung der 1990er RUSH-Alben ("Vapor Trails" insbesondere wegen des präsenten Basses) minus Altersweisheit plus Punk-Rebellion, letztere offenbar in gelegentlichen Schreien.
Dabei beeindruckt das Verständnis der Gruppe für schlüssige Spannungsbögen, die von Verklemmung bis zu Gelöstheit reichen, wie gleich der Opener "Man of the Times" zeigt: düsterer Beginn, kathartisches Solo am Ende. Trotz beträchtlicher Song-Längen von bis zu acht Minuten klingen IN THE PRESENCE OF WOLVES jedoch außerordentlich kompakt, weil sie mit jedem Track eine melodische oder rhythmische Idee in den Vordergrund rücken.
Dann nehme man noch eine Prise Indie, wie es COHEED AND CAMBRIA zu Beginn gut verstanden ("Storm in a Red Dress"), und die Königsdisziplin Longtrack in drei Teilen, mit der die Musiker im Titelstück reüssieren. Dessen ersten Teil sollten sich insbesondere Drummer genehmigen, die Songdienlichkeit mit Virtuosität verbinden möchten, aber in seiner Gesamtheit ist "Thalassas" einen heißen Tipp für Suchende wert, die sich nach der Zukunft des Prog abseits von Retro und Wilson umschauen.
FAZIT: IN THE PRESENCE OF WOLVES befinden sich als Alternative-Progger in bester Gesellschaft mit den größeren Namen im Geschäft, auch wenn sie erdiger und weniger metallisch agieren als die HAKENs dieser Welt, aber wer auf diesen Seiten seinerzeit VITRUVIAN MAN entdeckte, hat hier einen neuen Liebling gefunden.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.03.2015
Vini Stamato
Vini Stamato, Chris Capitanio, Justin Alexander, Mason Ingling
Chris Capitanio, Justin Alexander
Mason Ingling
Just For Kicks
45:10
27.03.2015